FactSheet: Manuka Honig – Dichtung und Wahrheit


Nach kontaminierter Milch, jetzt noch gepanschter Manuka Honig aus Neuseeland? Die Berichte aus Großbritannien, wo gerade eine Razzia auf falsch ausgewiesenen Manuka-Honig von statten ging, lassen Schlimmes ahnen.

Dabei hat „Manuka Honey“ in Neuseeland und Australien eigentlich einen ähnlichen Status wie, sagen wir, Enzianschnapps in den Alpenländern: Kult, fast Kulturgut, und nicht nur in den Herkunftsländern. Auch und gerade von den vielen Öko- und Wellnessbewegten in Deutschland werden fantastische Preise für die edle Substanz mit angeblicher Heilwirkung verlangt und gezahlt. Und hier mag das Problem liegen, denn in Neuseeland gibt es leider kein höheres Kulturgut als den schnellen Dollar zu verdienen, gerne auch auf zweifelhafte Art und Weise.

Versuchen wir also ein wenig hinter die Kulissen der Manuka-Manie zu blicken.

Was ist Manuka Honig?

Manuka Honig wird von den Bienen aus dem Nektar eines Strauchs namens  Leptospermum scoparium oder poligalifolium gewonnen. In Neuseeland heißt der Busch – man hat es geahnt – Manukastrauch, in Australien ist er als „tea tree“ bekannt. Interessanterweise, und hier sei mein Artikel über Neuseelands Naturgeschichte empfohlen, wird der Manukastrauch heute eher mit Neuseeland als Australien in Verbindung gebracht, stammt aber ursprünglich aus Australien.

Typisches Manuka Buschland Waitakere Ranges

Typisches Manuka Buschland Waitakere Ranges

Wieviel Manuka muss im Manuka sein?

Bienen lassen sich ihre Weidegebiete natürlich nicht vorschreiben. Auch wenn man ihre Kästen mitten in einen Manuka-Wald setzt, oder sogar um die Kästen extra eine Plantage anpflanzt, wird dabei nie ein 100% reiner Manuka-basierter Honig heraus kommen. Als Prädikatsschwelle gilt ein Anteil von mindestens 70% Pollen von L. scoparium, die im Honig mikroskopisch klein herum schwimmen.

Das hört sich eindeutig genug an, aber es muss prinzipiell im Labor nachgewiesen werden, und das ist gar nicht so einfach, denn Manuka hat einen Zwillingsbruder namens Kanuka (Kunzea ericoides), den z.B. auch ich nicht immer vom Originalstrauch unterscheiden kann. Sogar dessen Pollen sehen denen vom Manuka zum Verwechseln ähnlich. Das heißt, eine gewissenhafte Pollenanalyse ist noch nicht ausreichend um Manuka-Honig als solchen zu identifizieren.

Zusätzlich kann man noch die Viskosität des Honigs prüfen, die bei Manuka sehr spezielle Eigenschaften aufweist, nämlich Thixotropie, die Kanuka-Honig nicht besitzt. Auch die Farbe von Manuka und Kanuka unterscheiden sich deutlich: Manuka ist dunkler.

Was soll das Zeug mit UMF®-irgendwas Zahlen auf der Dose?

Wie das ®-Symbol andeutet ist UMF zuallererst eine kommerzielle Schutzmarke, die von einem Industrieverband, der AMHA per Lizenz an Hersteller und Vertreiber von Manuka-Honig ausgegeben wird.

Wissenschaftlich will der UMF Wert ein Maß für die antibakterielle Wirkung (’nicht-peroxidischen antibakteriellen Aktivität‘) von Manuka-Honig geben, je höher, desto wirksamer, wobei eine Vergleichsmethode mit einer antibakteriellen Referenzsubstanz zur Anwendung kommt. Vereinfacht gesagt lässt man Manuka-Honig auf Bakterienkulturen los, und vergleicht die Dezimierung der Stämme mit der durch die Vergleichssubstanz angerichteten.

UMF-Werte zwischen 5 und 25 sind handelsüblich, und fast Gold wert, denn die Höhe des Faktors bestimmt auch den Preis des Honigs.

Oben haben wir festgestellt, dass die Produktion von Manuka-Honig erschwert wird durch Vermischung mit Nektar aus nicht-Manukablüten und optisch fast identischen Kanukablüten. In seiner Doktorarbeit hat Jonathan Stephens von der Universität Waikato zusätzlich festgestellt, dass die verschiedenen Varitäten von L. scoparium, nämlich incanum und linifolium, die in Northland und nördlichen Teilen Waikatos verbreitet sind, auf der einen Seite, und myrtifolium bzw. bisher unbeschriebenen Varitäten aus der Central North Island und East Coast (der Nordinsel) auf der anderen, sehr unterschiedliche UMF-Ausbeuten erbringen, nämlich die Ersteren hohe, und die Letzteren niedrige.

Außer dass das auch den gewissenhaftesten Imker vor Probleme mit der Herstellung von hoch-UMF Manuka-Honig stellt, weist die Verbreitung der Varitäten darauf hin, dass die Einführung von Manuka von Australien nach Neuseeland in Wellen ablief, und die hoch-UMF Varianten sozusagen genetisch aus Australien aufgefrischt wurden.

Um die Komplexität zu komplettieren, haben last but not least Forscher der Technischen Universität Dresden eine Alternativskala zu UMF namens MGO (Methylglyoxal) erarbeitet, die angeblich verlässlicher abbilden soll wie stark antibakteriell Manuka-Honig ausfällt, denn MGO prüft auf einen bestimmten Manuka-spezifischen Inhaltsstoff, während UMF die netto-Antibakterialität bestimmt, auch wenn diese von nicht-Manuka Bestandteilen herrühren sollte.

Und nützt er überhaupt irgendwas, der Manuka-Honig?

Wissenschaftlich erwiesen ist nach meinem Kenntnisstand nur eine therapeutische Wirkung bei der Behandlung von offenen Wunden, z.B. bei Diabetikern. Zu positiven gesundheitlichen Wirkungen bei normaler Einnahme per Mund gibt es keine belastbaren Ergebnisse.

Meine eigene Feststellung ist, dass egal wie stark das Zeug schmeckt und wie hoch irgendein Faktor auf dem Glas angegeben ist, Manuka-Honig nicht einmal das leiseste Halsweh mildert.

Aber: er schmeckt lecker, mehr herb als süßlich. Immerhin.

Fazit:

  • Erstens gibt es erhebliche Zweifel daran, ob das was heutzutage als neuseeländischer Manuka-Honig verkauft wird überhaupt welcher ist. Dazu hier die Ergebnisse einer Studie von Lincoln-Studentin Patchanee Boontaganon und da eine aktuelle Meldung von Radio NZ.
  • Zweitens, sogar wenn es echter Manuka-Honig ist, ist zweifelhaft, inwieweit die angebliche und angegebene antibakterielle Wirksamkeit der Realität entspricht, wie der derzeit anhängige Manuka-Skandal in Großbritannien unterstreicht.
  • Drittens, auch wenn es echter Manuka-Honig mit nachgewiesener Konzentration antibakterieller Bestandteile ist, so ist seine therapeutische Wirkung (außer bei o.g. Wundbehandlung) nicht erwiesen.
  • Viertens, am Handel mit Manuka wird sehr viel Geld verdient und Bauernfängerei getrieben. Wenn euch der Honig schmeckt, dann esst ihn auch weiterhin, aber bildet euch nicht unbedingt ein, dass ihr damit irgendwas Besonderes für eure Gesundheit getan habt.

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Um Manuka wird die übliche geschickte Neuseeland-Mystik gewoben und skrupellos vermarktet: ‚Kauf Dir ein Glas Honig, und Du kannst Deine Zunge in einen kleinen Teil der großen weiten Welt stecken, ganz ohne aus dem Haus gehen zu müssen‘. Ziemlich daneben.

Wenn ihr Neuseeland interessant findet, spart euch das Geld lieber für ein Ticket, und lasst es euch nicht durch fantastisch überteuerten Neuseeland-Krimskrams aus der Tasche ziehen. Oder haltet es wie meine Mama, die schon immer gesagt hat, dass tasmanischer Honig besser sei als neuseeländischer. Ich möchte nicht für irgendwelche chemischen Analysen meine Hand ins Feuer legen, aber immerhin ist der „tea tree“/manuka ein Original-Australier und vielleicht einfach zuverlässiger als der genetisch durchmischte neuseeländische Ableger.


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