SideTrack: Frau Richter und die Schafe


Anke Richter ist Auslandsreporterin und lebt seit 2003 mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Christchurch in Neuseeland. Über ihre Zeit dort hat sie ein Buch (auch als Realsatire bezeichnet) geschrieben „Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern – Eine Verwandlung“, Kiepenheuer & Witsch 2011, das letztes Jahr im März pünktlich zur Leipziger Buchmesse erschien. Das Buch kann man damit getrost noch zu den brandaktuellen Veröffentlichungen über ein Leben in Neuseeland zählen.

Es ist amüsant und unterhaltsam zu lesen und bei der Schilderung ihrer diversen Erlebnisse spart sie auch die peinlichen Situationen nicht aus, was das Buch ganz sympathisch macht. Die Geschichte weist autobiografische Züge auf, aber die Autorin betont ausdrücklich, dass sie die Namen und Biografien der erwähnten Personen geändert hat, um deren Privatsphäre zu wahren.

Ein Streifzug durch die kulturellen Besonderheiten der Neuseeländischen Gesellschaft, wie z.B. eine Vorliebe für Mottoparties, die Abneigung gegenüber dem skiting ( zu deutsch Angeberei) oder das tall-poppy-syndrom fehlt natürlich nicht. Und man erfährt auch, dass in dem so toleranten Kiwiland eben nicht alles erlaubt ist: als sich die Familie Richter einen Housetruck anschafft und diesen in ihrer Wohnstraße vor ihrem Haus längere Zeit abstellt, machen die Anwohner anonym mobil und verständigen die örtliche Polizei.

Viel Lokalkolorit also, wer aber erwartet, darin tiefschürfend Analytisches über Land und Leute zu erfahren, wird enttäuscht sein. Über das Land Neuseeland schreibt sie sehr wenig und den Blick auf die Leute gibt Frau Richter nur durch ihre eigene Brille frei. Es handelt sich hierbei auch eher um eine überschaubare Gruppe von Freunden, Nachbarn und Bekannten. Was sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht, ist die Suche der Autorin nach ihrer Identität als Deutsche in Neuseeland. Bisweilen nimmt ihre Analyse hier larmoyante Züge an. So hadert sie damit, dass sie eigentlich immer sofort als Deutsche erkannt wird. Und auch mit der deutschen Vergangenheit gibt es Probleme, als die Kollegen ihres Mannes zu einer Mottoparty „zweiter Weltkrieg“ einladen.

Im folgenden ein unvollständiger Überblick über die einzelnen Protagonisten:

Da ist zunächst der Surfer-Freund ihres Mannes, ein echter Kiwi, easy going und immer auf der Suche nach der perfekten Welle. Als er sie und ihren Mann mitten im Neuseeländischen Winter zu seiner Geburtstagsparty Motto „Hawaii Five-0“ einlädt, lässt sie sich einen sogenannten „spraytan“ in einem Studio verpassen, um im Kokosnussbikini mit Bastrock eine gute Figur zu machen.

Man lernt  auch ihre Nachbarin mit dem Faible für tibetische Gebetsfahnen kennen, deren Eltern in den siebziger Jahren als echte Öko-Hippies aus Holland eingewandert sind. Diese hat eine Vorliebe für ausgefallene Kindervornamen (Pepper, Chili und Cumin) und spirituelle Yoga Treffen. Aber als die Autorin von der Schweinegrippe heimgesucht wird, kümmert sich eben diese Nachbarin spontan um die Erkrankte.

Desweiteren trifft man auf Claude, die freischaffende Künstlerin und Fotografin ist, und im Cafe von Lyttelton als Barista arbeitet. Claude war schon mehrfach in Deutschland und ist von allem, was deutsch ist, sehr begeistert. Sie ist auf der Suche nach einer deutschen Freundin und wird am Ende auch fündig.

Eine wichtige Protagonistin ist auch Eva, eine junge Deutsche, aus dem Rheinland stammend so wie Frau Richter selbst. Sie hat sie das erste Mal auf einem Seminar „Orientierung für neue Migranten“ getroffen und dann wieder bei besagter Nachbarin auf einem Kirtan Gesangs Abend. Im Lauf der Zeit treffen sich die beiden immer häufiger und freunden sich so an. Eva ist eigentlich Sportlehrerin, darf aber in Neuseeland nicht arbeiten, solange sie ihre Prüfungen nicht nachmacht. Also entschließt sie sich letztendlich dazu und muss im Zuge der Ausbildung auch eine Woche an einem Workshop über die Maori Kultur teilnehmen. Das lässt Frau Richter natürlich nicht kalt und sie schließt sich dem Workshop an, um darüber journalistisch zu berichten.

Auf diesem Workshop lernt die Autorin schließlich Haki, einen Maori, der gleichzeitig der Seminarleiter ist, kennen. Haki ist es auch, der ihr aufträgt, nach ihren Herkunftswurzeln zu suchen und ihr hierzu ein paar kryptische Hinweise gibt, wie das am besten zu bewerkstelligen sei.

So verwundert es kaum, dass einer der Höhepunkte des Buches ist, als Frau Richter auf ihrer Suche nach ihren deutschen Wurzeln an einem Rosenmontag auf einer rheinischen Karnevalsveranstaltung in Christchurch zu einschlägiger Musik zusammen mit ihrer Freundin Eva, ihrem jüngeren Sohn und den anderen Feiernden in einer Polonaise durch den Saal zieht. Das scheint für sie wohl zu einer Art Heureka Erlebnis zu werden…

Noch ein Gedanke zum Schluss:
Die Sache mit dem „Deutsch sein“ ist allerdings sehr relativ. Ich habe lange Jahre ganz im Süden Deutschlands unweit der Schweizer Grenze gelebt und mir ist es wiederholt im Ausland passiert, dass man mich fragte, ob ich denn aus der Schweiz käme.


2 Responses to SideTrack: Frau Richter und die Schafe

  1. christian sagt:

    hallo sylvia,
    ist es wohl möglich die gesamte zusammenfassung zu bekommen?
    im netz stehen nur fragmente!
    danke gruss chr offner

    • Sylvia sagt:

      Hi Christian,

      also eine Zusammenfassung des gesamten Buches habe ich auch nicht. Ich habe hier nur Teile kommentiert.
      Aber Du könntest versuchen, Dir ein Exemplar dieses Buches in einer öffentlichen Bibliothek auszuleihen. Dann kannst Du Dir selbst eine Meinung zum Inhalt des Buches bilden.

      HG Sylvia

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