FactSheet: “Kauri Dieback” – wenn Mücken Elefanten fällen


Hand aufs Herz, wenige Deutsche siedeln oder urlauben in Neuseeland wegen des Kulturangebots. Im Gegenteil – und dazu schreibe ich bald mehr – Neuseelands kulturelle Elite lebt heute vielfach in Deutschland. Neuseeland zieht seit jeher eher Naturbegeisterte und erdverbundene Abenteurer an. Geheimnisvolle Regenwälder, eine seltsame Mischung an Kiwiland-spezifischen Kreaturen, das Gefühl der Ursprünglichkeit tragen zum Zauber des Landes bei. Dieser Zauber ist allerdings zerbrechlich, und „Kauri Dieback“ vielleicht das derzeit beste Beispiel der Fragilität.

Das Weltwunderer-Blog, hat die Essentials zu Kauri Dieback unlängst vorgestellt. Für einen Schnelldurchlauf, speziell für potentielle Neuseeland-Turistas bitte dort klicken. Für etwas mehr Hintergrund folgen Sie mir bitte, meine Damen und Herren …

Was ist so besonders an Kauri?

Die Seite „Bushman’s Friend“ zitiert Charles Darwin mit den Worten:

A little before noon Messrs. Williams and Davies walked with me to part of a neighbouring forest, to show me the famous kauri pine. I measured one of the noble trees, and found it thirty one foot in circumference above the roots. There was another close by, which I did not see, thirty three feet; and I heard of one no less than forty feet. These trees are remarkable for their smooth cylindrical boles, which ran up to a height of sixty, and even ninety feet, with a near equal diameter, and without a single branch. The crown of branches at the summit is out of all proportions small to the trunk; and the leaves are likewise small compared with the branches. The forest here was almost composed of the kauri; and the largest trees from the parallelism of their sides, stood up like gigantic columns of wood. (C. Darwin, The Voyage of the Beagle)

Wenn man so durch den Wald streift und steht dann plötzlich vor dieser Säule von einem Baum, schnurstracks in den Himmel weisend, die klare Linie durch keinen einzigen Ast (bis hin zum wuscheligen Kronenbereich) unterbrochen, kann man nicht anders als Ehrfurcht zu fühlen. Ehrfurcht vor einer Natur, die einen so ebenmäßigen Baum formt, und auch vor dem Baum selbst, der schon hunderte von Jahren dort stand, und vielleicht noch hunderte von Jahren dort stehen wird, nachdem unsere eigene Reise auf dem Planeten längst beendet ist. Die archaische Form, also fast perfekt vertikaler Stamm gekrönt von einem aufgezwirbelten Geäst, erinnert außerdem an die Illustrationen von Dinosauriern inmitten merkwürdiger Bäume, die man aus der Kindheit kennt 🙂

Kauri Geschichten

Die Evolutionsgeschichte dieser Baumriesen ist im Artikel ‚Echos aus Gondwanaland‘ umrissen, Wiederholung erübrigt sich. Die Wikipedia-Artikel sind auch gut, erzählen zusätzlich zur Naturgeschichte über die große wirtschaftliche Bedeutung des Baums für die frühe Kolonie Neuseeland, einmal ganz einfach als Holzexport und zum anderen durch die fast einzigartige Rolle des fossilen Kauriharzes, genannt „kauri gum“, die für die Herstellung von Farbe, Lack und Linoleum genutzt wurden und dessen Abbau ganze Landschaften am nördlichen Ende der Nordinsel prägte.

Stück Kauri-Gum, an einem Strand der Coromandel aufgelesen

Stück Kauri-Gum, an einem Strand der Coromandel aufgelesen

Kurios ist übrigens die San Francisco Story zu Kauriholz: einerseits wird behauptet, dass massenhaft Kauriholz verbrannte, als es zu einer gewaltigen Feuersbrunst in der Stadt nach dem Erdbeben von 1906 kam. Andererseits weisen andere Quellen darauf hin, dass im Anschluss an das Erdbeben bedeutende Mengen an Kauriholz zum Wiederaufbau San Franciscos exportiert wurden. Vielleicht stimmt ja beides.

Die Jagd auf Kauri und Kaurigum führte letztlich dazu, dass der gigantische Baum fast vollständig in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet – im wesentlichen dem ganzjährig frostfreien Teil der Nordinsel (nördlich der Linie Kawhia – Katikati) – verschwand, bis die Abholzung 1972 gesetzlich untersagt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war nur noch der Waipoua Forest als größerer zusammenhängender Kauriwald in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Der Rest war verstreut. Insgesamt hatten höchstens 10% des Kauribestandes zu Beginn europäischer Besiedlung überlebt, und die größten der Baumriesen waren allesamt verschwunden. Für mehr Informationen zum Thema Kauri kann ich übrigens das Kauri Museum in Matakohe, auf dem Weg von Auckland nach Dargaville wärmestens empfehlen. Obwohl ich im allgemeinen kein großer Fan von Museen bin, ist das Kauri Museum doch so gut gemacht, dass sich ein Besuch lohnt.

Kauri Dieback

Etwa zur selben Zeit als Kauri unter Schutz gestellt wurde, also in den 1970er Jahren, wurde auch zum ersten Mal Kauri Dieback auf der Great Barrier Insel nördlich der Coromandel-Halbinsel beobachtet (obwohl es nicht sicher ist, ob die Seuche wirklich dort ihren Ursprung hatte). Die Krankheit äußert sich durch vergilbendes Blattwerk, partielle Entlaubung und absterbende Äste, später auch durch ringförmiges am Baumstamm austretendes Harz und final durch den Tod des Baums. Die Mortalität liegt nach derzeitiger Erkenntnis bei 100%, d.h einmal infiziert sind die Tage des Baums gezählt. „Ricker“, also ‚junge‘ Kauribäume im Alter zwischen 120 bis 200 Jahren erliegen PTA innerhalb von etwa 5 Jahren nachdem erste Symptome erkennbar wurden.

Wie kommt es zu Kauri Dieback?

Als Verursacher der Krankheit gilt heute der pilzähnliche Erreger PTA (Phytophthora taxon Agathis). Ob er der alleinige Grund ist, bleibt umstritten, in einer Diskussion, die der um das rätselhafte Massensterben z.B von Amphibien und Bienen rund um den Globus ähnelt: auch dort wurden Schädlinge identifiziert, Pilzbefall bei Amphibien und die Varroa-Milbe bei Bienen, aber es ist wohl erst das Zusammenspiel mit anderen Umwelt-Stressoren, die deren Auswirkung so gravierend macht. PTA ist eine Spezies, die der Wissenschaft bisher unbekannt gewesen war. Ihr nach genetischer Untersuchung nächster Verwandter ist interessanterweise ein Kastanienschädling in Taiwan.

Einfallspunkt Wurzelwerk

PTA wird mit infizierten Erdpartikeln verbreitet und dringt vom Wurzelsystem her in den Baum ein. Weil wir nicht wissen, wie lange es dauert bis PTA das Wurzelsystem überwältigt und an Blättern, Ästen und Stamm sichtbar wird, ist die ‚Inkubationszeit‘ nicht wirklich geklärt. Allerdings haben Experimente ergeben, dass kleine Kauri Setzlinge nach Infektion innerhalb von Wochen absterben. Bei Rickern (s.o.) dauert es ein paar Jahre, bei reifen Baumriesen sicher noch länger, wohl ein Jahrzehnt.

Fest steht allerdings, dass der Schlüssel zur Gesundheit eines Baums das Wurzelsystem ist. Bäume, deren Wurzel schon vorher angegriffen waren, z.B durch Straßenbau, Errichtung von Wanderwegen, oder Bodenverdichtung, sind am meisten gefährdet.

Was wir alle tun können, um Kauri zu erhalten

Auch hier geht es zentral um die Wurzeln. Erstens sollte man sie nicht dadurch schädigen, dass man von vorgefertigten Wanderwegen oder Holzplattformen um die Bäume herum abweicht, und auf dem seichten und empfindlichen Wurzelwerk herumläuft. Zweitens sollten wir die Chance minimieren, dass Erde von einem infizierten Baum zu einem gesunden Baum transportiert wird. Auch das, dadurch, dass wir uns respektvoll vom Wurzelbereich des Baums fernhalten, und zusätzlich durch das präventive Entfernen von Erde von Schuhen, Wanderstöcken etc. bevor wir uns Kauriständen nähern.

Kauri Dieback Dekontaminations-Kit bei Atiu Creek

Kauri Dieback Dekontaminations-Kit bei Atiu Creek

An den Zugängen zu vielen Kauriwäldern werden heute bereits Schuhabstreifer, Bürsten und Sprüher mit Flüssigkeit angeboten, mit denen Schuhe und Stöcke von Erdreich gereinigt werden können. Dabei ist es das Wichtigste, dass die Erdklumpen beseitigt werden, in denen sich PTA-Sporen befinden könnten. Die Flüssigkeit in den Zerstäubern ist übrigens völlig unbedenklich. Meistens ist es einfach nur Seifenlauge, oder sogar nur Wasser, in einigen wenigen Fällen das harmlose Desinfektionsmittel Trigene. Wie gesagt, es ist sehr wichtig Erde, die an Schuhen und Stöcken haftet zu entfernen, weniger wichtig die Schuhe mit Wasser oder anderem abzuspülen.

Was wir sonst noch tun können

Es gibt eine Pflanzinitiative für Kauri auf der Coromandel-Halbinsel (links unten „Sponsor a Kauri“ drücken), bei der man Geld per Kreditkarte spenden kann. Eine nette Idee ist, dass man seinen Namen in eine Plakette nahe des Pflanzorts gravieren lassen kann (Option „inscription on a commemorative plaque“), sich also in Neuseeland quasi verewigt … zusätzlich zu dem Baum, die vielleicht ein Jahrtausend überstehen wird. Eher für in Neuseeland ansässige Leser geeignet ist es selbst eine Kauri zu pflanzen, falls man dafür genug Land besitzt, wie im „Care for Kauri Guide“ beschrieben, in dem sich auch sonst viel Wissenswertes zu unseren großen Lieblingen findet.

[Dieser Artikel basiert zum Teil auf Informationen, die mir Nick Waipara vom Auckland Council zur Verfügung stellte, und bei dem ich mich für die Unterstützung bedanke. Die historischen Bilder entstammen der Alexander Turnbull Library, Wellington.]


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