Opinion: ‚Schmutzige Politik‘ in Neuseeland


Neuseeland wird zu Recht als ein eher stilles Wasser im internationalen Geschehen wahrgenommen. Umso amüsanter, wenn sich auch in Neuseeland einmal politische Abgründe auftun 😉

Die Amtszeit von Premierminister John Key (National Party) hat sich bisher durch ein Merkelsches ‚weiter so‘ ausgezeichnet. Es kam nichts wirklich Erstaunliches von dem Mann, aber – ob gerechtfertigt, oder nicht – man hielt ihm zu Gute, dass er Neuseeland ohne große Dramen durch die globale Wirtschaftskrise der Jahre 2007 bis 2013 (?) geführt hat.

Entsprechend schien die Wahl am 20. September 2014 eigentlich schon gelaufen gewesen zu sein. Keine Experimente mit anti-charismatischen Sozialhilfeverteilern wie NZ Labors David Cunliffe [Preisfrage: welches Wortspiel verbirgt sich hinter „Cunliffe“? Hmmm?]

Ein Buch und – man höre und staune – ein Blog, haben in den letzten Wochen allerdings ein Erdbeben in der politischen Landschaft Neuseelands ausgelöst. „Dirty Politics“ des eher linken neuseeländischen Publizisten Nicky Hager behauptet auf Grundlage von Daten die aus der IT Infrastruktur des berüchtigten, eher rechten Whale Oil Blogs von Cameron Slater gehackt worden waren, dass die Regierung Key systematisch Informationen an Slaters Blog weitergegeben habe, um – ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen – Negativkampagnen gegen Oppositionspolitiker und nicht genehme Spitzenbeamte zu lancieren.

Die Konstellation des Ganzen ist pikant. Das Buch erschien just ein paar Monate vor den Wahlen, belastet Regierung und Premierminister und basiert doch auf Daten, die gestohlen wurden und nicht verifiziert sind und damit selbst nur eine Schmierkampagne darstellen könnten. Etwaige Untersuchungskommissionen werden erst Tage vor der Wahl ihre Arbeit aufnehmen und bis zur Wahl sicher nicht beenden. Sollte sich letzten Endes herausstellen, dass die Anschuldigungen unbegründet waren, wurde eventuell eine ganze Parlamentswahl manipuliert. Genial.

Bisher behauptet der etwas müde wirkende John Key, dass er nicht gewusst hätte, dass seine (ex-)Justizministerin Judith Collins und einige seiner Berater und Büroangestellten die Köpfe mit Cameron Slater (selbst Sohn einer früheren National Party Größe) zusammen gesteckt hätten, um Übel auszubrüten. Solche Aussagen wirken natürlich nie gut. Lügt John Key, nun, dann ist er ein Lügner, sagt er die Wahrheit, dann hat er offenbar seinen eigenen Laden nicht im Griff. Seit die Dirty Politics Sache begann, hat Key in Umfragen sichtbar an Popularität eingebüßt.

Irgendwo in Auckland: übermaltes John Key Wahlplakat

Irgendwo in Auckland: übermaltes John Key Wahlplakat

Judith Collins warf vergangenes Wochenende jedenfalls das Handtuch, was die Lage trotzdem nicht beruhigen dürfte. Der Status und Fortgang der Affäre bleiben offen und haben das Potential die Wiederwahl Keys zu vereiteln.

Als Fußnote noch interessant: es wird gemunkelt, dass der Hacker hinter dem Angriff auf das Whale Oil Blog kein anderer als Neuparteigründer und File-Sharing-Entrepreneur Kim Dotcom sein könnte, obwohl dieser das vehement abstreitet. Als Deutsch-Finne kann sich Dotcom zwar nicht zur Wahl stellen, aber im Sinne seines extravaganten Auftretens und des Kampfs gegen seine Auslieferung an die USA hielt er es geboten eine Partei zu gründen, die im Verbund mit der Mana Party sogar Chancen auf Parlamentssitze hat.

Und die Moral von der Geschicht?

Erstens sind die Mauscheleien zwischen Angehörigen der ‚Elite‘ sehr plausibel und typisch für Neuseeland. Ein paar Familien teilen die Dinge im wesentlichen untereinander auf und es reicht wie im Fall Cameron Slater der Sohn von irgendjemandem zu sein um einfach so eine politische Rolle zu spielen und sensitive Informationen zugespielt zu bekommen.

Zweitens erklärt „Dirty Politics“ vielleicht auch einen der weniger schillernden neuseeländischen Politskandale der jüngeren Zeit, Len Browns (Bürgermeister von Auckland) Sexaffäre mit einer aus China stammenden Angestellten der Stadt. Man muss sich als Newcomer / Außenseiter wohl hochschlafen, wenn man sich nicht die Zeit nehmen will über Generationen Verbindungen und Pfründe aufzubauen. Ähnliches höre ich auch aus der Welt der (wenigen) neuseeländischen Großunternehmen. „Friday drinks“, also der gemeinsame Pub-Besuch von Kollegen am Freitag nachmittag artet gerne auch in ein Fleischschaulaufen vor Managern aus, die sich etwas aussuchen dürfen, wobei Manager hier nicht selten weiblich sind.

Drittens ist es schauderlich-witzig wenn ein Schreihals wie Kim Dotcom (ob er nun besagter Hacker war oder nicht) mit etwas Lärm, viel Geld und sehr viel protzigem Selbstbewußtsein die neuseeländische Politszene wenigstens am Rande aufmischt. Neuseeländer schätzen den Unterhaltungswert seiner Aktionen. Echter Sportsgeist.

***


2 Responses to Opinion: ‚Schmutzige Politik‘ in Neuseeland

  1. Christine sagt:

    Danke für die Zusammenfassung. Unglaublich was da grade abgeht. Wie im Kindergarten! Für mich als Kiwi-Erstwähler ist das alles eher verwirrend und macht die Entscheidung natürlich nicht einfacher.

    • Peter sagt:

      Kindergarten ist eine gute Beschreibung 😉 … Das Gute ist vielleicht, dass es sich zukünftige Minister und Staffer zweimal überlegen werden bevor sie so einen Mist bauen und damit eine ganze Wahl gefährden.

      Bei der Wahl würde ich mich auf meinen Instinkt zu Sachthemen verlassen. Viele davon gibt es nicht, aber sie reichen um zumindest eine short list zu erstellen.

      Happy voting!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.