SideTrack: Der scheinbar unaufhaltsame Kiwidollar


Carry Trades“ sind eigentlich eine altbekannte Investmentstrategie bei der in einem Niedrigzinsland Kapital abgezogen (oder sogar geliehen) wird, um es in einem Hochzinsland anzulegen. ‚Frau Watanabe‘, die japanische Antwort auf die schwäbische Hausfrau, soll sich schon seit den 1990er Jahren damit ein Zubrot verdienen, denn in Japan sind Dauertiefzinsen seit Jahrzehnten an der Tagesordnung.

Im Zug der Eurokrise ist nun auch der Euroraum zum fast-Nullzinsterritorium degeneriert, so dass die Idee in Deutschland an Popularität gewinnt. Andererseits ist – relativ zu Euroland – Neuseeland im Moment ein Hochzinsland.

Also nichts wie los, Geld nach Neuseeland überweisen und 4% Zinsen einstecken? Leider nicht ganz.

Das Wechselkursrisiko

Wer Geld von Deutschland nach Neuseeland bringt, muss die Währung wechseln, von EUR nach NZD und man kann nicht davon ausgehen, dass der Wechselkurs stabil bleibt. In der Tat werden Währungen wie NZD und EUR frei gehandelt und der Wechselkurs ändert sich ständig.

2009, als noch nicht entschieden war, dass Zentralbanken in aller Welt massiv Geld drucken würden, um den Status Quo von Politik und Finanzwelt zu bewahren, gab es eine gehörige Schrecksekunde für Frau Watanabe. Der NZD fiel innerhalb von Wochen auf Tiefststände (1 EUR war damals fast 2,55 NZD wert). Und je weiter er fiel, desto mehr Panik machte sich breit, noch mehr Geld wurde aus NZD abgezogen, wodurch der Kurs noch weiter einbrach.

Ein pro-zyklisches Geschäft

Hier liegt eine erhebliche Gefahr. Solange relativer Frieden im Weltfinanzsystem herrscht, springen mehr und mehr Leute auf den Carry-Trade-Zug. Dadurch steigt der Wechselkurs des Kiwidollar, d.h der Prozess ist selbstverstärkend: man ‚verdient‘ Geld nicht nur dadurch, dass man den Zinsunterschied nutzt, sondern profitiert auch vom steigenden Kiwidollar.

Umgekehrt, wenn Ereignisse eintreten, die internationale Investoren nervös machen, ist das Zinsdifferential durch den fallenden Wechselkurs schnell verloren. Investoren müssen dann ggf. schnell handeln um Gewinne zu sichern, oder starke Nerven haben, um den Sturm auszusitzen.

Warum steigt der Neuseelanddollar im Moment so stark?

Folgende Faktoren spielen eine Rolle

  • Neuseeland befindet sich in einer späteren Phase des Konjunkturzyklus; es wurde relativ früh von der globalen Krise getroffen, und erholt sich wirtschaftlich jetzt auch früher davon: das führt zu steigenden Zinsen, mit denen die neuseeländische Notenbank Inflation usw. kontrollieren will.
  • Neuseeland druckt kein Geld und sieht von Weitem nach einer Insel der Stabilität in einer ungewissen Welt aus. Neuseeland MUSS auch kein Geld drucken, da es so klein ist, dass genug von dem Geld, das in den USA oder der EU gedruckt wird in Neuseeland ankommt. Trotzdem vermittelt die Situation den Anschein finanzpolitischer Solidität, wie auch das Faktum, dass Neuseeland eine sehr geringe Staatsverschuldung aufweist (40% des BSP).
  • Neuseelands Hauptexporte, Molkereiprodukte, werden trotz hoher Preise in Asien stark nachgefragt, was den Wechselkurs weiter festigt.
  • Neuseelands Immobilienpreise (vor allem in Auckland und Christchurch) ziehen seit 2012 wieder vehement an. Damit fließt auch in diesem Bereich Geld ins Land und treibt den Wechselkurs.

In der Folge bekommt man für einen Euro Stand heute noch um 1,54 NZD, nahe an den historischen Tiefständen von 1,52, die vor zwei Jahren erreicht wurden. Von wegen zu starker Euro, übrigens.

Wie führt man als Privatperson Carry Trades überhaupt durch?

Für Menschen, die wirtschaftlich sowohl in Deutschland als auch in Neuseeland aktiv sind, einfach durch Überweisungen von Deutschland nach Neuseeland, z.B über OFX. Zinsen auf Tagesgeld in Neuseeland liegen im Moment bei bis zu 4,5%. Einfach so aus Deutschland in Neuseeland ein Konto anzulegen funktioniert i.a. nicht, denn man muss im allgemeinen einen Wohnsitz in Neuseeland nachweisen können.

In Deutschland ein Fremdwährungskonto in NZD anzulegen ist leider keine gute Option. Die 4,5% geben die Banken kaum an Ihre Kunden weiter, sondern behalten den Großteil einfach selbst.

Es gibt in Deutschland gehandelte Fonds, siehe den FAZ Artikel von heute, die fairer ausgestaltet sind als Fremdwährungskonten.

Und sind Carry Trades für eine Privatperson sinnvoll?

Carry Trades sind ein spekulatives Geschäft und es ist wie bei allen Transaktionen dieser Art eine hochindividuelle Entscheidung welches Risiko man gehen will und kann. Niemand kann dazu allgemeine Aussagen treffen.

Risiken gibt es genug. Neben den erwähnten Risiken grundsätzlicher Art, die mit Carry Trades verbunden sind, äußern sich neuseeländische Politiker und Notenbanker gehäuft zur Überbewertung der Währung. Daneben mag zwar der neuseeländische Staat paradiesisch niedrig verschuldet sein, dafür sind es aber Privatpersonen umso höher, vor allem wegen der hohen Immobilienpreise. Das stellt einen latenten Schwachpunkt des neuseeländischen Bankensektors dar, wie auch der IMF warnt.

Andererseits müssen gerade die Deutschen offensichtlich umdenken, wenn es um Vermögensaufbau geht. Spar- und Tagesgeldkonten in Deutschland sind ein übler Witz, da sie fast kein Einkommen generieren. An Kapitallebensversicherungen werden einfach nachträglich gesetzliche Änderungen vorgenommen, die die Erträge schmälern. Stichwort: finanzielle Repression. Der Verbund von Zentralbanken, Politikern und Finanzinstituten stellt sicher, dass Vermögen in Deutschland nicht mehr nach alten Mustern gebildet werden können und hoffen gleichzeitig, dass das lethargische Publikum nicht reagiert und sich das Geld still abnehmen lässt.

Carry Trades sind eine von vielen Möglichkeiten trotzdem zu reagieren.

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