SideTrack: Weihnachten unterm Pohutukawa


Die lässige Zeit in Neuseeland (wie in Australien) beginnt etwa Anfang Dezember, steigert sich, wenn Mitte Dezember in den meisten Schulen die Ferien beginnen, findet ihren Höhepunkt an Weihnachten und Neujahr, geht Mitte Januar ihrem Ende zu und findet ihren Abschluss Ende Januar, wenn das neue Schuljahr beginnt. In Australien setzt – im Gegensatz zu Neuseeland – der Nationalfeiertag Australia Day am 26. Januar den Sommerferien ein natürliches Ende. Die antipodischen Sommerferien kombinieren damit Sommerferien europäischen Stils mit Winterferien – auch zeitlich kommt die Addition in etwa hin.

Die Bilder tobender europäischer Touristen, die am berühmten Bondi Beach von Sydney ausgelassen Weihnachten und Neujahr begehen, und sich darüber freuen, nicht im europäischen Kühlschrank zu sitzen, kennen wir inzwischen alle. Man hat sich daran gewöhnt, der „Thrill“ ist weg … und mich hat dieses alkoholisierte Schauspiel schon immer eher peinlich berührt. Jaja, das ist jetzt Sommer, und die anderen haben Winter – ätsch – wir haben es kapiert.

Alkohol ist ein gutes Stichwort, um den Übergang zum neuseeländischen Weihnachtsritus zu finden. Abgeleitet ist der – unüberraschend – primär vom englischen Weihnachten: also kein Christkind, das am Heiligen Abend (Christmas Eve) die Geschenke unter die Nordmanntanne legt, sondern man muss bis zum Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags auf die Ankunft des Weihnachtsmannes warten. Die Gerichte, die zum Weihnachtsessen serviert werden, sind ähnlich unterschiedlich – je nach Familientradition – wie in Deutschland. Gebratene Truthähne à la americaine gehören zum Üblichen, wie auch mediterran inspirierte „sea food platters“, also Fresskörbe aus Meeresfrüchten, oder „Leg of Ham“, also eine geräucherte und danach gebratene Schweinshaxe, und mehr. Egal was gegessen wird, ein Weihnachtspicknick am Strand ist de rigeur für viele Kiwis und Aussies, und das macht bei den hier üblichen sehr warmen Temperaturen an Weihnachten auch Sinn.

Festlicher Weihnachtsschmuck an Türen, Fenstern und Fassaden ist eher selten. Die Tage sind lang, d.h. Lichterschein hat wenig Gelegenheit wahrgenommen zu werden. Kerzen usw. sind fehl am Platz, da es sowieso heiß genug ist. Insofern ist es angebracht, alte europäische Bräuche an die neue Welt anzupassen. Das weiß-goldene Schema passt weniger als das grün-rote, also wird Letzteres bevorzugt. Die November-Dezember-Januarblüte des Pohutukawa-Baumes bildet dieses Farbschema mit seinen satt grünen Blättern und schillernd roten Blüten perfekt ab (siehe Bild), und weil der Baum vor allem entlang der Küste (der Nordinsel) wächst, also dem Strandfokus der Weihnachtszeit entgegenkommt, wird der Baum auch als „New Zealand Christmas Tree“ bezeichnet.

Weihnachten vorgelagert sind Weihnachtsfeiern bei Unternehmen aller Art und Größe, wie in Deutschland, und finden meistens in einer Abfolge von Bars statt – man wandert also gemeinsam von Bar zu Bar. Auch hier spielt Alkohol eine herausragende Rolle (aber kein Glühwein!), vor allem wegen der recht strikten Trennung von Essen und Trinken, die in Neuseeland üblich ist: ohne kombinierte Nahrungsaufnahme sind die Leute noch schneller und gründlicher besoffen als in Deutschland. Und wenn einmal der Suff da ist, wird es schnell auch ein wenig schlüpfrig. Tradition hat es beispielsweise, das Betriebsweihnachtsfest mit der eigenen Firmenkollegenschaft in einer Bar zu beginnen, dort andere Leute (nicht unbedingt aus der eigenen Firma) kennen zu lernen, mit denen dann in die nächste Bar zu gehen, dort wiederum andere Leute zu treffen usw. Mit den letzten neu gefundenen Freunden geht man dann ins Bett 🙂 – Merry Christmas 🙂 … ja also die Sexualmoral der Kiwis ist nochmal ein Thema für sich und passt weniger in den Weihnachtsartikel, aber ich verspreche das Thema gesondert auf zu greifen. Die spirituelle Dimension spielt bei Betriebsweihnachtsfeiern keine Rolle. Wie auch, denn in einer multikulturellen Gesellschaft kann das Fest einer Religionsgemeinschaft (von vielen) keine Sonderrolle mehr haben. Das ist ein Nebeneffekt dieser Gesellschaftsform, den viele noch nicht wahr haben wollen, der aber logisch unausweichlich ist. Um die Kurve zu bekommen, richten sich viele Firmen nach US-amerikanischen Vorgaben, und säkularisieren Weihnachten einfach in ein Trinkgelage, oft mit humoristischen Einlagen, wie nachgestellten Urkundenverleihungen, wie z.B. „For the Best Office Cougar“ usw. Kann zum Teil für die Betroffenen leicht peinlich sein, und wird manchmal auch als Gelegenheit genutzt, um Arbeitskollegen einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.

Christmette, „Midnight Mass“ im privaten Umfeld hat sich allerdings, wie in Deutschland, erhalten, und auch hier ist es für viele der einzige Kirchenbesuch im Jahr. An sich ist das erstaunlich, weil es hier – ähnlich wie im amerikanischen Mittleren Westen – bald an jeder Ecke die Kirche irgendeiner christlichen Kleinstsekte gibt, mit den üblichen impliziten Versprechungen materiellen Glücks solange man sich irgendeiner spirituellen Leitung unterwirft. Wobei Kirchengebäude oft ärmlich ausgestattet sind, kaum mehr als größere Privathäuser mit einem Kreuz auf dem Dach. Kirchenglocken habe ich in Neuseeland übrigens noch nie gehört (oder doch, einmal, im Dorf Te Aroha – keine Ahnung warum die das dürfen), ich weiß aber nicht, ob es sich dabei auch um ein Zugeständnis an die Multikulturalität der Gesellschaft handelt, oder andere Gründe dahinter stehen. Christmette aus dem Vatikan wird natürlich auch nicht ausgestrahlt, aber wer will, kann sie sich als live stream im Internet (zum Beispiel bei der amerikanischen CBS) ansehen. Aber zurück zu Weihnachtsutensilien. Adventskränze sind in Neuseeland unbekannt, wie auch Adventskalender (obwohl ich letzte Weihnachten einige bei Pak’n’Save habe liegen sehen – allesamt importiert) wobei letztere allerdings dieser Tage (Ende 2011) einen plötzlichen Durchbruch erleben und sogar in Tankstellen zu kaufen sind – eine erstaunliche Karriere innerhalb nur zweier Weihnachten. Weihnachtskrippen sieht man gelegentlich in privatem Umfeld, aber vom Stil her weniger die Ammergauer Art mit aufwändigen, liebevoll gestalteten Figuren umgeben von Schafen und so, sondern eher die Made in China Variante mit vielen Lichtlein und Flitter, oder die hölzerne Minimalversion Vater-Mutter-Kind in einfachst geschnitzter Fassung, wobei die Gesichter im allgemeinen nicht herausgearbeitet sind – ich nehme an, weil das zu viel kosten würde, oder die chinesischen Arbeiter damit überfordert sind. Weihnachtsgebäck im deutschen Sinn („gingerbread“) ist mir auch fast gar nicht untergekommen. Christstollen habe ich dagegen schon gesehen, anscheinend von einer deutsch-inspirierten Firma hergestellt, ziemlich mickrig und teuer dazu. Nikoläuse usw. aus Schokolade sind schon etwas häufiger vertreten, allerdings wiederum oft importiert, oder auch areligiöse Spielformen davon, die abgebildete „Weihnachtsfee“. Üblicher ist es, gewöhnliche Schokolade oder Süßigkeiten einfach etwas netter oder weihnachtsmäßig einzupacken. Insgesamt leider eine ziemlich armselige Angelegenheit, die keine echte Tradition auf diesem Gebiet verrät. Wer an Weihnachten hängt, dem sei geraten sich rechtzeitig aus Deutschland zuschicken zu lassen, was benötigt wird. Und noch ein Wort der Warnung: es gibt hier „Christmas Cake“, ein Kuchen, der meist mit der angelsächsischen Unart des „Icing“ bedeckt ist, also einer pappsüßen Paste aus Zucker, oder süßem Gelee, die ich persönlich ungenießbar finde.

Weihnachtsbäume gibt es in Neuseeland, meist „Pinus Radiata“, die Monterey Pinie ursprünglich aus Kalifornien, die in Neuseeland in Plantagen gezogen wird, zur Holzproduktion, aber auch Weihnachtsbaumproduktion. Wie in Deutschland stellen sich Händler um Weihnachten herum an Parkplätzen usw. auf, um ihre Produkte unter’s Weihnachtsvolk zu bringen. Man kann aber auch direkt zur Plantage fahren und dort eine aussuchen – mehr Auswahl. Leider halten sich die Bäume wegen der warmen Temperaturen nicht besonders gut, nadeln aber wenigstens nicht viel. Wegen der eher langen Nadeln ist das Behängen mit Christbaumschmuck etwas fummelig, aber was soll’s – man hat ja Zeit 🙂 Apropos Weihnachtsschmuck gibt es hier in ähnlicher Fülle wie in Deutschland, wobei man sich hier wie dort trefflich über Geschmack streiten kann. Natürlich ist aller in Neuseeland erhältliche Weihnachtsschmuck in China hergestellt.

Nachdem alles für Weihnachten fit gemacht wurde, die Christmette überstanden und die Geschenke verteilt, gibt es als finalen Paukenschlag den „Boxing Day Sale“. Der 26. Dezember, Boxing Day, ist dann, wenn die Kiwis in die Geschäfte rennen, um unpassende Geschenke umzutauschen, und eben dem „Weihnachtsschlussverkauf“ bei zu wohnen, bei dem viele der Waren, um einiges billiger zu haben sind als noch vor Weihnachten. Die Geschäfte sind eigentlich nur am 25. Dezember fast alle geschlossen. Am 26. Dezember machen die meisten – offenbar – wieder auf.

Wenden wir uns nun noch kurz dem Neuen Jahr zu.

Im Grunde sind die Unterschiede zwischen Deutschland und Neuseeland hier nicht besonders groß, also feuchtfröhliches Feiern, Tanz, Geselligkeit, und deshalb erspare ich mir langatmige Beschreibungen dazu. Nur einen fundamentalen Unterschied gibt es: privates Feuerwerk ist wegen der Brandgefahr (es ist Sommer, Wiesen und Sträucher oft vertrocknet) untersagt. In der Glotze gibt es auch nicht die Neujahrsgalas wie in Deutschland. Man möge selbst für seine Unterhaltung sorgen 🙂 … Ebenfalls Fehlanzeige ist der globale Feuerwerksdisplay im Fernsehen, also die Abfolge der Feiern in Sydney, China/Japan, Dubai, Moskau usw. Privat geböllert wird in Neuseeland übrigens am Guy Fawkes Day, Anfang November, eine Tradition, die aus England übernommen wurde, um an den Tag zu erinnern, an dem beinahe das englische Parlament in die Luft gesprengt wurde.


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