Pasifika: Das Erbe der Maori


Am 29.12.2010 veröffentlichte der New Zealand Herald einen Artikel mit dem Titel „Study questions date of Maori arrival in NZ„. Es geht um ganze 500 Jahre. Kamen die Maori etwa im Jahr 800 in Neuseeland an, wie die mündliche Überlieferung der Maori-Stammbäume vermuten lässt, oder erst um das Jahr 1300, wie Radiokarbondatierungen nahe legen?

Egal, die Maori waren zuerst da, so oder so, und müssen deshalb als traditionelle Eigentümer des Landes mit besonderen Privilegien betrachtet werden, ist eine Lesart der Dinge.

Eine andere Sicht ist, dass die Maori nicht alle an einem Tag auftauchten, sondern Kanu für Kanu wahrscheinlich aus dem tahitianischen Raum über Jahrzehnte, oder gar Jahrhunderte, und es dabei immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, bzw. „Invasionen“ kam. In diesem Sinne könnten die niederländischen und britischen Schiffe, die ab dem 16. Jahrhundert in Neuseeland ankamen, als Kanus des weißen Mannes betrachtet und so in eine natürliche Besiedlungsfolge eingeordnet werden – ohne spezielle Rechte für die Maori abzuleiten. Wenn natürlich (wie im Moment wissenschaftlich nicht belegbar) die Maori um das Jahr 800 Aotearoa besiedelten, der Siedlungsprozess wenige Jahrhunderte später im wesentlichen abgeschlossen war, und sich danach noch über ein halbes Jahrtausend eine echte indigene Kultur entwickelte, dann wären den Nachfahren der Maori besondere Rechte nur schwer abzusprechen.

Im wesentlichen umschreiben diese verschiedenen Sichtweisen auch heute die Philosophien der unterschiedlichen Diskussionslager. Maori und ihre Verbündeten meist aus dem linken politischen Spektrum vertreten eine Privilegierung der Maori aufgrund historisch erworbener Rechte, die Gegenseite im konservativen Lager wollen den Maori nur die gleiche Position einräumen, wie sie alle, auch nicht-Maori, Neuseeländer inne haben.

Es lässt sich nun trefflich darüber streiten, wer Recht hat. Ich will dazu nicht Stellung nehmen, da ich nicht das Gefühl habe, die Situation hinreichend verstanden zu haben, um mir ein Urteil zu erlauben. Allerdings nehme ich zur Kenntnis, dass der Vertrag von Waitangi (Treaty of Waitangi, 06.02.1840 -> Wikipedia) der die Beziehungen zwischen Maori und nicht-Maori regeln soll, tatsächlich auf Grundlage der Annahme entstand, dass die Maori vor Ankunft der Europäer eine genuin indigene Kultur in Neuseeland etabliert hatten. Die Frage des Zeitpunkts der Ankunft der Maori ist deswegen weit mehr als rein akademisch.

Aber ich kann natürlich – wie immer – meine persönlichen Eindrücke einbringen.

Zunächst einmal fällt auf, dass die Diskussion zum Thema Maori-Rechte, Interpretation des Waitangi Vertrags usw. Ende der 196oer Jahre in Schwung kam, sich also politisch und geistesgeschichtlich im selben Fahrwasser bewegt wie das 68er-Revoltentum in Deutschland und Frankreich oder die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Ideologisch wird die Debatte mit ähnlicher Hitzigkeit geführt, auch wenn es nie zur Formation terroristischer Bewegungen gekommen ist (wohl aber schwerkriminellen Banden, siehe unten). Letztlich geht es um das liebe Geld. Angebliche Verletzungen des Waitangi-Vertrages wurden und werden genutzt, um staatliche Kompensation in Form von Geld und Grundstücken gerichtlich einzuklagen, mit einigem Erfolg. Unter anderem ging es sogar um die Rechte der Maori auf die Nutzung von Radiofrequenzen. Das kann man nun gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht nennen, was mich daran interessiert, ist ob der Transfer von hunderten Millionen von Dollar an die Maori, deren soziale Probleme gelindert hat – und ich sehe dafür bisher kaum Anzeichen. Obwohl mir handfeste Beispiele der Veruntreuung in Neuseeland momentan fehlen (bis auf einen wenig publizierten Streit um Korruption innerhalb des Maori-Establishment – incl. des Maori-Königs von Neuseeland – Ende 2010), so erinnere ich mich an die sozialen Experimente in Australien in den 1990er Jahren mit Zahlungen und teilweiser kommunaler Autonomie für „Aboriginal Communities“, die in Geldverschwendung und Diebstahl durch Stammesführer, extremen Alkoholismus und Gewaltexzessen endeten, so dass schließlich einige dieser Communities die „Weißen“ baten zurück zu kehren, um menschliche Lebensverhältnisse wieder her zu stellen. Die Aboriginal and Torres Strait Islander Commission (ATSIC), die gegründet worden war, um Aborigines Gelder selbstständig und in Würde verwalten zu lassen und damit die unleugbare soziale Not ihrer Brüder und Schwestern zu beheben, wurde 2005 aufgelöst, da sie sich als unfähig erwiesen hatte, und Gelder anscheinend missbraucht worden waren (-> Wikipedia ATSIC), unter den üblichen Rassismusunkenrufen der politisch-korrekten Fraktionen und Medien.

Die Entschädigungszahlungen an Maorigruppen unterliegen meines Wissens keiner öffentlichen Rechenschaftspflicht. Es muss – natürlich – von den Empfängern der Zahlungen eine „Verfassung“ vorgelegt werden, nach der die Gelder Verwendung finden sollen, wer Kontrollfunktionen übernimmt usw. Der Inhalt dieser Absichtserklärung steht den Verhandlungspartnern auf Maori-Seite aber frei, und muss, zum Beispiel, auch keine Sozialklauseln enthalten, die etwa eine minimale Auszahlung an jedes einzelne Stammesmitglied vorsehen könnten. So gibt es weder die Möglichkeit staatlich durchsetzbarer Rechnungsprüfung, noch Regeln über die soziale Verantwortung in der Verwendung der Abfindungsgelder, die eventuellen Missbrauch eindämmen könnten. Ich will diesen auch nicht unterstellen. Trotzdem sehe ich im täglichen Leben nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Linderung der sozialen Probleme vieler Maori und den Zahlungen von Wiedergutmachungsgeldern gibt. Es gibt Ausnahmen, so haben die Südinsel-Maori (Ngai Tahu) tatsächlich ein System von ‚Renten‘ implementiert, die jedem einzelnen Stammesmitglied zusteht, aber das scheint eher die Ausnahme als die Regel (die Ngai Tahu unterhalten auch eine eigene Lifestyle Zeitschrift, www.tekaraka.co.nz, nebenbei). Nach Aussage eines Maorihäuptlings mit dem ich das Waitangithema Anfang 2011 in Rotorua diskutiert habe, würden sich die meisten Maori mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem neuseeländischen Mainstream ausgesöhnt fühlen, wenn jeder etwas vom Kuchen ab bekäme, aber dem steht in vielen Fällen die Gier der eigenen Stammesführung im Wege.

Im Moment tobt außerdem eine Debatte um die Ansprüche der Maori auf Küsten- und Meeresgrund (Foreshore and Seabed Act 2004). Hintergrund ist, dass 2003 ein neuseeländisches Gericht eine mehr als hundertjährige Rechtssprechungstradition aufgab, und den Maori das prinzipielle Recht einräumte, sich Eigentumstitel auf Küstenstreifen gerichtlich zu erstreiten. Nichts liegt dem Kiwi mehr am Herzen als sein als Geburtsrecht empfundener freier Zugang zu Küste und Meer (Stichwort: „Queen’s Chain“: 80% des Küstenstreifens Neuseelands gehören unveräußerlich der Krone, also der Allgemeinheit, und sind damit zumindest im Prinzip öffentlich zugänglich), und die bloße Möglichkeit, dass ihm dies verwehrt werden könnte, führte zu öffentlicher Empörung, die durch den Foreshore and Seabed Act 2004 eigentlich entschärft werden sollte, denn dieses Gesetz legt fest, dass die neuseeländische Öffentlichkeit (wer immer das auch genau sein mag) die Eigentumsrechte über Küste und Meeresboden inne hat. Damit machte es die Regierung keinem Lager recht. Die eine Seite monierte, dass hier die Rechte der Maori liquidiert würden, die andere, dass durch einige Klauseln des Gesetzes, die bei Entwicklungsprojekten entlang der Küste die Mitsprache lokaler Maori vorsahen, die Gleichheit zwischen Maori und nicht-Maori untergraben würde. 2005 mischte sich auch noch die UNO in das Geschehen ein, die auf Betreiben einiger Maori einen Bericht veröffentlichte, der den Foreshore and Seabed Act als rassistisch brandmarkte. Trotzdem wurde das Gesetz mit deutlicher Mehrheit im Parlament verabschiedet und hat bis heute Bestand. Nach einem Regierungswechsel im Jahr 2008 bei dem die Maori Party eine Koalition mit der führenden National Party einging, entbrannte die Diskussion um das Gesetz von Neuem, es soll ersetzt werden von einem Marine and Coastal Area Act, der aber wiederum Mittelpunkt heftiger Kontroverse ist.

Stand 2010 stehen sich die Lager relativ unversöhnlich gegenüber. Es geht letztlich um eine philosophische Debatte, die in verschiedenen Ausprägungen in vielen „westlichen“ Ländern geführt wird. Inwieweit kann und soll Unrecht wieder gut gemacht werden, das sehr lange her ist, und nach damaligen Standards kein Unrecht war? Wie kann man die sozialen Probleme einiger ethnischer Gruppen lindern, ohne bevormundend zu sein, aber auch ohne sinnlos Geld zu verschwenden? Meiner Meinung nach gibt es keine einfachen Lösungen, aber Deutschland hat sicherlich intensivste Erfahrungen, mit dem jahrzehntelangen Projekt durch Milliardenzahlungen ein Unrecht wieder gut zu machen, das gleichzeitig immer wieder als nicht wieder gut machbar proklamiert wird. Mit der Zeit wird der Eindruck erweckt, dass sich eine ‚Wiedergutmachungsindustrie‘ gebildet hat, die gar nicht mehr die Absicht hat je gesellschaftliche Aussöhnung und Harmonie wieder her zu stellen, sondern vom ewigwährenden Dissens lebt, den sie entsprechend kontinuierlich nährt.

In Neuseeland ist die Situation ähnlich vertrackt, wenn auch weniger gesellschaftsprägend als in Deutschland. Außerdem haben sich die Kultur und Ästhetik der Maori fest in den neuseeländischen Alltag verwoben, und damit eine universell als positiv empfundene Note gesetzt. Da ist zum einen schlichte genetische Präsenz. Es gibt sehr viele Maori-Pakeha Mischlinge, die oft (unbewusst) als Mittler zwischen den Welten fungieren. Nur etwa 1 bis 2% der Menschen, die sich den Maori zugehörig fühlen, sind heute noch ‚reinrassig‘. Die naturnahe Symbolik der Maori, also stilisierte Farne, Angelhaken usw. ist allgegenwärtig und erfüllt viele Kiwis, Maori oder nicht, mit einem gewissen Stolz. Mir persönlich gefallen die archetypischen Muster auch sehr. Sie bereichern das Alltagsleben, und erinnern mich trotz oftmals städtischer, europäisierter Umgebung, dass ich im Südpazifik lebe. Die Tätowierungskunst der Maori – auch von den typischen Mustern geprägt – hat sogar über die Grenzen Neuseelands hinaus Anerkennung gefunden. Berühmtheiten wie Robbie Williams, der sich in Neuseeland die Haut verzieren ließ, waren Vorläufer dieses Trends.

Das Auckland Museum erklärt die Bedeutung der Maoriornamente in anschaulicher Weise.

Und dann sind da natürlich noch die wohlklingenden polynesischen Ortsnamen, die auch noch dem hässlichsten Slum eine gewisse Grazie einhauchen (falls jemand nach Übersetzungen sucht, empfiehlt sich das Maoriwörterbuch). Maori-Ortsnamen sind übrigens auf der Nordinsel sehr viel üblicher als auf der Südinsel, denn die Maori-Population war in Neuseeland nie gleichmäßig verteilt. Die Südinsel mit ihrem raueren Klima und deswegen spärlicheren Ressourcen konnte viel weniger Menschen ernähren als die Nordinsel. Zudem waren die schwächeren Stämme des Südens immer wieder Beutezügen der nördlichen Stämme ausgesetzt. Die finale Ausdünnung der Maori Bevölkerung ereignete sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts als der sogenannte ‚Maori Napoleon‘ Te Rauparaha vom Nordinsel-Stamm der Ngati Toa den dominanten Ngai Tahu Stamm der Südinsel bekriegte.

Maori waren und sind keine naturverliebten Blumenkinder, die es sich – Make Love Not War – gut gehen lassen in ihrem abgeschiedenen Inselparadies. Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie Neuseeland wohl ausgesehen hat, als die ersten Polynesier an ihren Küsten landeten. Auf der Mini-Insel Tiritiri Matangi unweit von Auckland, die seit Jahrzehnten renaturiert wird, kann ich die Fantasie ein wenig mit der Realität in Verbindung bringen … es muss wohl ein kleiner Garten Eden gewesen sein. Aber auch hier lauerte die Schlange, bildlich, und verleitete die Menschen, die Natur gedankenlos auszubeuten, bis eines Tages einer der Hauptlieferanten an Proteinen, der flugunfähige Riesenvogel Moa (in gut einem Dutzend Varianten) bis zur Ausrottung gejagt verschwunden war, und ein unerbittlicher Kampf um die verbleibenden Nahrungsmittelquellen begann. Die Kultur der Maori ist eine des Patriarchats und des Kriegs. Das Schwache wird ohne Gnade getilgt. So erging es den „Hippies“ der Maori-Kultur, den Moriori der Chatham Inseln, östlich vom neuseeländischen Festland gelegen, siehe Karte. Noch heute streiten sich die Gelehrten darüber, ob die Moriori direkte Nachfahren nicht-neuseeländischer Polynesier waren, oder ob sich aus initialer Maori-Einwanderung eine eigenständige Kultur einwickelt hat. Wie auch immer, die Moriori waren beseelte Pazifisten, und zahlten für diese Weltsicht mit ihrer Auslöschung. 1835 überfielen sie Ngāti Mutunga und Ngāti Tama aus der Taranaki-Region (Mount Egmont) der Nordinsel auf gemieteten britischen Schiffen, zum Teil mit Gewehren, aber auch traditionell bewaffnet. Die Moriori entschieden sich, nicht mit Gewalt zu antworten, und wurden damit zur leichten Beute der Maori. Neben Massakern und Kannibalismus erduldeten die überlebenden Moriori die Versklavung. Ehen zwischen Moriori wurden unterbunden. Moriorifrauen durften nur die Kinder ihrer Maori-Herrscher gebären. Ein trauriges Schicksal. Es ist – nebenbei – interessant, dass in der öffentlichen Diskussion die Auslöschung der tasmanischen Aborigines (die anscheinend großteils auf eingeschleppte Krankheiten, und nicht auf gezielte Ausrottung zurückzuführen ist – Tasmanien ist auf der Karte unterhalb von Australien zu sehen) oft als erster Genozid der Neuzeit betrachtet wird, während der unzweifelhaft geplante Genozid an den Moriori im wesentlichen ignoriert wird.

Ein Unrecht wiegt ein anderes nicht auf. Und es ist deshalb meiner Meinung nach nicht statthaft, das barbarische Vorgehen einiger Maoristämme gegenüber den Moriori als Rechtfertigung für an Maori begangenes Unrecht zu benutzen, auch wenn das immer wieder versucht wird, als wären Europäer eine Art Super-Maori-Stamm, der sich gegenüber den Maori nicht anders (eher besser) verhalten hat, als Maori gegenüber ihnen unterlegenen Völkern. Gleichwohl sollte die Geschichte der Moriori sowohl die Pakeha als auch die Maori Neuseelands daran erinnern, dass Schwarz-Weiß-Malerei gänzlich unangebracht ist, und das reflexhafte Rassismus- und Ungerechtigkeitsgeschrei unterbinden, dass immer dann laut wird, wenn irgendwelche Maoriforderungen nicht sofort erfüllt werden. Die Zeit dürfte dabei sowieso gegen die Maori arbeiten. Mit der rasanten Abnahme des europäischen Bevölkerungsanteils am Gesamtstamm der Kiwis, wird auch die Unrechtsdebatte immer schwerer zu rechtfertigen. Warum sollten zum Beispiel Asiaten oder Inder mit ihren Steuern für Entschädigungszahlungen aufkommen, für Unrecht, dass weder von ihnen noch von ihren Vorfahren begangen wurde? Auch Einwanderer europäischer Abstammung könnten berechtigt die Frage stellen, warum sie in eine Art ethnische Sippenhaft genommen werden. Ähnliches gilt – finde ich – übrigens auch in Deutschland, außer man macht bei Einbürgerungen die Übernahme deutscher Kollektivschuld offiziell zum Teil des Rituals.

Die Maori selbst sehen nach meinem Dafürhalten die Debatte oft gelassener als ihre vermeintlichen Hilfskräfte im politisch korrekten akademischen und Medienestablishment. Ihnen ist klar, dass die Uhr nicht zurückgedreht werden wird, und dass ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Gesamtgefüge eher ab- als zunehmen wird. Ihnen ist auch klar, dass die Pakeha nicht nur Tod und Verderben über sie gebracht haben, sondern beispielsweise über die christliche Missionierung eine Botschaft und Praxis des Friedens in eine Welt, die oft von Krieg und Grausamkeit zerrissen war. Als Beispiel möge das heutige Auckland dienen. Trotz seiner ausgezeichneten Lage, guten Klimas und reicher Fischgründe trafen die ersten europäischen Siedler kaum auf Maori, weil alle Gruppen, die zuvor versucht hatten, sich in Auckland zu etablieren, sofort von der Maori-Konkurrenz angegriffen wurden. Zum Schluss wollte sich das niemand mehr antun, und Auckland lag großteils brach. Die Maori versuchen zudem die christliche Botschaft mit ihrer spirituellen Welt zu verschmelzen, manchmal durch Gründung eigener Kirchen wie die einflussreiche „Church of Ratana“ nahe Wanganui. Wir können also frohen Mutes unsere Klischees vom faszinierend-edlen Wilden einpacken, und die Maori so sehen wie sie es heute oft selbst tun: als Teil der neuseeländischen Gesellschaft der zu 90% nicht anders sein will als der Rest, aber Respekt für seine Traditionen und Gedankenwelt einfordert, sowie angemessene finanzielle Entschädigung für Vertragsbrüche im Zusammenhang mit dem Treaty of Waitangi. Damit könnten prinzipiell wohl die meisten leben.

Leider ist es aber mit der Feststellung des rationalen Zugangs vieler Maori zum Thema Versöhnung nicht getan. Es gibt Tendenzen, die dem widersprechen, zum Beispiel eine grassierende Wohlfahrtsmentalität unter den Maori, die lieber Sozialhilfe annimmt und gleichzeitig jammert, anstatt aktiv zu werden, sowie deren Gegenteil nämlich einer Selbstbedienungsethik, die ihr hässliches Gesicht in Form von organisierter Bandenkriminalität zeigt. Mongrel Mob und Black Power Motorradbanden mit vielen Maori Mitgliedern haben ausgerechnet Kleinstädte (bei denen man das am wenigsten vermuten würde) wie zum Beispiel in der Gegend um Wanganui und Wairoa anscheinend so gut im Griff, dass die Polizei real längst aufgegeben hat, ihnen noch bei zu kommen. Die oft gelesene Aussage in anderen Blogs und Neuseelandseiten über angeblich niedrige Kriminalitätsquoten, die viele Einwanderer ins Land locken, ist übrigens schlicht erfunden oder ignorant bzw. stimmt nur relativ zu Auswanderungsländern mit extremen Kriminalitätsraten wie Südafrika. Laut Ross Kemp in seinem Buch „Gangs“ hat Neuseeland die höchste Dichte an Bandenmitgliedern in der Welt (Wikipedia -> Gangs in New Zealand). Die Mordraten in Deutschland und Neuseeland sind fast identisch. Die Häufigkeit von Vergewaltigungen ist in Neuseeland doppelt so hoch wie in Deutschland. Bei Einbrüchen und Autodiebstählen gehört Neuseeland zur traurigen „Weltklasse“ (siehe www.nationmaster.com). Natürlich kann man die Maori-Gangs auch ganz anders sehen, nämlich als edle ‚Krieger der Straße‘, die mutig gegen soziale Ungerechtigkeit ankämpfen, so geschehen in der Doku-Soap ‚Das Andere Ende der Welt‘, ausgestrahlt zum Beispiel bei Phoenix in Deutschland. Man hasst es zu viel zu stänkern … die Soap hatte hier und da auch weniger Surreales zum Thema Neuseeland zu sagen. Großteils war es aber ungefähr so flach und peinlich wie die meisten deutschen Neuseeland-Dokus – leider.

Zum versöhnlichen Ausklang aber noch einige Aufnahmen, die ein wenig vom Zauber des polynesischen Erbes Neuseeland nach Deutschland transportieren sollen.

Der Waitangi Day ist der neuseeländische Nationalfeiertag und wird am 06. Februar begangen. Der historische Ort Waitangi an dem die Vertrag (teil)unterzeichnet wurde, ist Besuchern zugänglich, und eines Abstechers wohl wert. Dort kann sich, wer will, selbst über die komplexen Beziehungen zwischen Maori und Pakeha informieren. Es gibt andernorts natürlich auch vielfach Gelegenheit erster Hand mehr über die Maori zu lernen, zum Beispiel im Kernland um Rotorua wo im Mitai (www.mitai.co.nz) oder Tamaki Maori Village (www.maoriculture.co.nz) halbwegs geschmackvolle Folklore angeboten wird. Sowohl das Auckland Museum (www.aucklandmuseum.com) als auch das Nationalmuseum Te Papa (www.tepapa.govt.nz) in Wellington haben ausgezeichnete Sammlungen und Dokumentarmaterial zum Thema, unter anderem online Diskussionen zum Waitangi Vertrag.

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Auch interessant: Whakairo – Die Schnitzkunst der Maori


One Response to Pasifika: Das Erbe der Maori

  1. Hubert sagt:

    Danke für diesen prägnanten Essay! Nach mehreren Jahren in Australien kann ich die Ausführungen zu den Integrationsproblemen der Aborigines bestätigen. Ich bin allerdings skeptisch, ob Australien und Neuseeland mit ihrer Öffnung für die Einwanderung der Asiaten einen Weg der gesellschaftlichen Harmonie für die Zukunft gewählt haben, denn die Nordostasiaten sind den Europäern sozioökonomisch in kurzer Zeit weit überlegen und können/wollen sich nicht assimilieren. So wächst in Australien gerade ein Ressentiment gegenüber Chinesen und in Neuseeland gab es meines Wissens sogar ein Gesetz, dass gegen den Zugriff reicher Chinesen auf dem heißgelaufenen Immobilienmarkt gerichtet ist. Einwanderungsgesellschaften sind Konfliktgesellschaften (Paul Collier).

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