Opinion: Die Sünden der Mütter


Neuseeland führte 1893 als erstes Land (wenn auch damals noch nicht wirklich von Großbritannien unabhängig) das Frauenwahlrecht ein, und sieht sich u.a. deswegen oft als führend in sozialen Fragen wie der Gleichberechtigung.

Zugegeben, bei der Homoehe war Neuseeland nicht ganz in der ersten Reihe. Schwule und Lesben dürfen sich erst ab August 2013 das Ja-Wort geben. Trotzdem, Neuseeland pflegt das Selbstbild eines Land harmonischer Gleichberechtigung, in dem Lebensentwürfe maximale Freiheit genießen, und (ja, wirklich!) sogar nicht-Staatsbürger das Wahlrecht haben, insgesamt also beste Voraussetzungen für eine ideale Gesellschaft herrschen.

Ein Artikel vor einigen Tagen im New Zealand Herald, der – eine Rarität – es sogar in deutsche Meinungsorgane geschafft hat, weckt Zweifel inwiefern Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen.

Es geht in dem Artikel darum, dass ein elfjähriger Junge von der Mutter seines Schulfreunds mit ein paar Bier abgefüllt wurde, um anschließend romantisch zur Tat zu schreiten. Das Resultat kam neun Monate später zum Vorschein.

Der Clou: nach neuseeländischem ‚Recht‘ können sich prinzipiell nur Männer an Frauen vergreifen, nie umgekehrt. Der glücklichen Mutter drohen vorerst also keine Konsequenzen. Gleichzeitig darf das Kind anscheinend sein Kind nicht einmal sehen, auch nach neuseeländischem Recht. Dazu muss das Kind erst Zugangsrechte vor Gericht erwirken.

Unangenehme Geschichte, sowas.

Erstens passt die Umkehr der Opferrolle sowieso nicht zum Zeitgeist. Zweitens ist das nichtsdestotrotz unlogisch, und so wird die rechtliche Lage mit Sicherheit zumindest überprüft werden, was die Sache immer wieder hochspülen wird. Drittens lächeln sich wahrscheinlich viele Leser einen: wären sie mit 11 Jahren in der beginnenden Pubertät gegen die Mutter des Freunds abgeneigt gewesen? Vielleicht nicht? Andererseits wären diese Gedanken im umgekehrten Fall, also kleines Mädchen mit dem Vater der Schulfreundin gesellschaftlich so geächtet, dass man in vorauseilendem Gehorsam die Finger sogar lieber vom Analogon lässt.

Das sind trübe Gewässer. In unserer angeblich aufgeklärten Zeit fällt die Diskussion darum auch merkwürdig abgewürgt aus. Bei den o.g Presseorganen sogar im wahrsten Sinne des Wortes, denn Die Welt hat nach ganzen drei Diskussionsbeiträgen das Forum geschlossen, und der NZH die Diskussion gar nicht erst geöffnet. Andernorts, zum Beispiel im Stern oder Spiegel wurde das Thema generell schon aufgegriffen, aber versandete genauso schnell wieder. Als Logiker muss einen das nerven, denn schließlich haben alle ein Recht auf Opferstatus, das ist ein Gebot der Chancengleichheit. Als Menschen erschrickt es mich manchmal aber auch, wie – tja – verroht die Relativierung von allem und jedem inzwischen geworden ist.

Sexueller Exzess und die starke Vermischung von Sex und Alkohol sind an sich nichts Neues in Neuseeland. Dazu habe ich mich in meinem zelebrierten Artikel zu Sex and the Kiwi schon ausführlich geäußert. „Nothing else to do“ könnte die Überschrift auch heißen. Offene sexuelle Aggression von weiblicher Seite ist allerdings schon eine Entwicklung, die noch nicht ganz so etabliert ist. Damit meine ich nicht nur gegenüber Kindern, sondern allgemein eine „Go, get it“ Haltung im sexuell aktiven Teil der Bevölkerung, und da vor allem in der Altersgruppe 35 bis 45, wenn die Hemmungen fallen. Für den erwachsenen Teil der männlichen Bevölkerung vielleicht eine willkommene Erlösung von langweiligen Machoidealen. Was Kinder angeht, hoffe ich allerdings darauf, dass nicht länger weggesehen und verharmlost, sondern geredet und gehandelt wird.

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