Opinion: Wozu noch Deutsche Botschaften?


Eine kleine, unrepräsentative Blitzumfrage bei befreundeten Auslandsdeutschen in aller Welt lässt keine Zweifel aufkommen: niemand, wirklich keine und keiner empfindet deutsche Botschaften und Konsulate als nützlich und hilfreich. Die Beamten seien in der Mehrzahl desinteressiert, arrogant, irgendwie nie für etwas zuständig und oft irritierend neugierig. Wenn sie aktiv werden, dann eher um zu schikanieren, wie im Fall meiner Tante in Toronto, bei der die Ausstellung eines neues Passes zum Spießrutenlauf wurde, als die deutsche Botschaft begann nachzuforschen, ob die Frau nicht inzwischen durch Annahme der kanadischen Staatsangehörigkeit fremdgegangen war. Alle zehn Jahre geht man also, wenn gar nicht anders möglich, zur deutschen Botschaft, um den Pass verlängern zu lassen und bekommt als Geste deutscher Wilkommenskultur den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit vor die Nase gehalten. Hervorragend. Danke, Deutschland.

What have the Romans ever done for us?

Die unsterbliche wie bitterböse Monty Python Satire mag einem jetzt in den Sinn kommen. Sind die konsularischen Dienste deutscher Botschaften in Notfällen denn nicht unverzichtbar? Bietet die Webseite der deutschen Botschaft in Wellington nicht genug Informationen für in Neuseeland lebende Deutsche? Wer sonst soll deutsche Interessen z.B. in Neuseeland vertreten?

Nun, im Jahr 2015 in dem ganze globale Großkonzerne mit Hilfe digitaler Kommunikationsmitteln betrieben werden, darf man fragen, was die massive und überaus teure personelle Präsenz im Ausland soll. 3000 Botschaftsangehörige und dazu noch einmal mehr als 5000 lokal beschäftigte Mitarbeiter sind für mich nicht nachvollziehbar, vor allem nicht im nahen europäischen Ausland. Insgesamt (also einschließlich der etwa 3000 Beamten in der Berliner Zentrale) betragen die Personal- und Verwaltungskosten des AA im Jahr 2015 erstaunliche 1,3 Mrd Euro. Jeder vor Ort verfügbare deutsche Botschafts- und Konsulatsangehörige kostet den deutschen Steuerzahler also rund eine halbe Million Euro pro Jahr! Ein Bruchteil eines Jahreshaushalts des Auswärtigen Amts würde wahrscheinlich ausreichen, um eine zeitgemäße digitale Infrastruktur aufzubauen, die deutschen Bürgern im Ausland konsularische Dienste einfacher, billiger und schneller anbieten könnte.

Für deutsche Bundesregierungen, die geistig irgendwo zwischen dem 19. Jahrhundert und den 1980er Jahren hängen geblieben sind, kann ein gemeiner Botschaftsmitarbeiter natürlich nichts. Ich gestehe der Webseite der deutschen Botschaft in Wellington gerne zu zum Teil sinnvolle Informationen zu Verfügung zu stellen, gerade auch zu der notorischen Staatsangehörigkeitsfrage, obwohl diese Infomationen meistens schwer zu finden sind. Andererseits fehlt es allgemein an Transparenz. Man findet keine Daten zur Anzahl und Funktion der Botschaftsangehörigen, dem Jahresbudget der Botschaft und anderen Kleinigkeiten, die deutsche Steuerzahler vielleicht interessieren könnten.

Der Newsletter der Deutschen Botschaft zu Wellington

An anderer Stelle gibt es dafür umso mehr Transparenz – und man wünscht sich hinterher sie wäre einem erspart geblieben  😯

Hier die Schlagzeilen des aktuellen „Newsletters“ (übrigens gibt es m.E. viel zu viele von diesen Newslettern, an allen Ecken und Enden – gelesen werden sie kaum) der deutschen Botschaft in Wellington:

  • New Zealand/German Parliamentary Friendship Group: Die deutsch-neuseeländische parlamentarische Freundschaftsgruppe ist also wiederbelebt worden. Nur welche deutschen MdBs gehören der Gruppe an? Wir wissen es nicht. Unhandlich beispielsweise für unsere Kollegen vom NZ Pension Protest Blog, die Lobbyarbeit für ein deutsch-neuseeländisches Sozialversicherungsabkommen leisten. Oder operiert die Friendship Group unter Ausschluss der Öffentlichkeit und konzentriert sich statt dessen auf gegenseitige Freundschaftsbesuche?
  • German and U.S. Ambassadors visit the Stratosphere Observatory for Infrared Astronomy (SOFIA) in Christchurch: Echt? Wo liegt hier der Mehrwert für deutsche Steuerzahler? Für mich klingt so etwas nach einer Vergnügungsreise. Die Krönung kommt im letzten Satz der News dazu: „… On 15 June, a Ngāi Tahu-Maori representative delivered the blessing of New Zealand’s indigenous peoples for a successful outcome of this year’s campaign.“ Sogar ein Kurzartikel zu einem Wissenschaftsprojekt kann anscheinend multikulturell genutzt werden.
  • New Zealand Model United Nations Conference: Schon wieder Schüler, die Vereinte Nationen spielen. Ehrlich, fantasieloser geht es nicht mehr? Been there, done that. Oder soll hier die nächste Generation von Legationsräten präsentiert werden?
  • Climate Change Action Day: Hier erübrigt sich jeder Kommentar. Ach ja, die Klimakanzlerin. Aber warum macht das Goethe-Institut bei so einer Aktion mit? Ich dachte es ginge bei denen um Deutschunterricht und nicht um die Rettung der Welt.
  • German Embassy representative at Coronation festivities of King Tupou VI of Tonga: Endlich eine Gelegenheit bei der man argumentieren kann, dass Botschaftsangehörige dort etwas zu suchen hatten. Seltsam abwesend ein Verweis auf die historischen Bande zwischen Deutschland und Tonga. Dürfen wir daraus schließen, dass hier eine politisch korrekte Tabuzone existiert?
  • German Teachers‘ Conference at the Goethe-Institut: kann man durchgehen lassen 🙂 …
  • New „LIFESWAP “ Video: Wieder irgendwas aus der Kategorie Multikulti, ach wie lustig.
  • World Refugee Day: Was hat eine Veranstaltung zur erfolgreichen Ansiedlung von Flüchtlingen – gemeint sind echte vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge, übrigens – in Neuseeland mit der deutschen Botschaft zu tun? Gibt es Bonuspunkte bei Mutti, wenn man das Thema unterbringt?
  • Goethe-Institut supports Andrew Simmons’ new choreography „Dear Horizon“: Aha, das Goethe-Institut wieder auf Abwegen. Zahlt für die Reise eines neuseeländischen Ballettchoreografen von seinem Dauerstandort Dresden nach Neuseeland, um dort ein neues Werk zu produzieren. Schön für ihn.

Insgesamt dokumentiert dieser Newsletter die ganze Abgehobenheit und Pflichtvergessenheit des deutschen Staatsapparats. Er hört sich an als kümmere sich eine geschlossene Adelsgesellschaft um ihre metaphysischen Hobbies, weitab von den Problemen des Plebs in der Straße – nur dass genau dieser Plebs das edle Treiben finanziert. Wo bleibt ein Sozialversicherungsabkommen mit Neuseeland? Warum wird die berühmte ‚doppelte Staatsangehörigkeit‘ für Ausländer in Deutschland ständig vereinfacht, nur für Deutsche im Ausland nicht? Wohl zu banal für die bessere Gesellschaft deutscher Auslandsvertretungen.

Deutsche Interessen?

Erinnern wir uns an die selbstdeklarierte Aufgabe des Auswärtigen Amts, einzusehen auf dessen Internetseite:

„Das Auswärtige Amt vertritt die Interessen Deutschlands in der Welt, es fördert den internationalen Austausch und bietet Deutschen im Ausland Schutz und Hilfe.“

In die beiden ersten Punkte kann man bequem alles hineininterpretieren, was man möchte. Deutsche Steuermilliarden in Griechenland zu versenken, beispielsweise, muss zum Wohle Deutschlands sein, denn scheitert das griechische System aus Korruption und Vetternwirtschaft, dann scheitert Genossin Erika und damit würde der Himmel über Deutschland einstürzen.

Es gab vielleicht einmal Zeiten zu denen es relativ klar und allgemein akzeptiert war, was deutschen Interessen dient. Das ist in postmoderner Beliebigkeit offenbar nicht mehr der Fall. Das Auswärtige Amt, wie der Rest des Merkelschen Machtapparats, dient heute anscheinend der eigenen Selbstverliebtheit.

Oder tun wir hier jemandem Unrecht? Ich lasse mich mit größtem Vergnügen davon überzeugen, dass neben der Newsletter-Agenda noch viel andere, wertvolle Arbeit geleistet wird. Wenn dem so ist, schlage ich vor diese zu veröffentlichen. Ich bin gespannt!

Zum Versöhnlichen Ausklang

Persönlich hat mir ein deutsches Konsulat in Bangalore (Indien) nach einigem Betteln mehrfach mit einer mauernden indischen Bürokratie geholfen. Immerhin. Das soll nicht ungesagt bleiben. Ansonsten habe ich noch einen peinlichen Botschaftsvertreter bei einem Empfang erlebt, als der angetrunken das kalte Buffet plünderte. Daneben die übliche Mischung aus Unzuständigkeit und einer ausgeprägten Wir-sind-Obrigkeit Attitüde. Und ich erinnere mich gut an den Tsunami 2004 in Südostasien, als Australien und das kleine Neuseeland aus Mitleid Deutsche gemeinsam mit ihren eigenen Bürgern ausflogen, weil die zuständigen deutschen Botschaften nichts taten.

Noch versöhnlicher wäre es allerdings das Auswärtige Amt in seiner jetzigen Form zu schließen und ein modernes, schlankes, bürgerorientiertes Außenministerium zu gründen. Wie geschrieben, passt das AA funktional nicht in 21. Jahrhundert, es ist unter diesem Namen mit einer schändlichen nationalsozialistischen Vergangenheit belastet und – nervt einfach nur. Wenn ich bloß an diesen Popanz von den Grünen denke, der mit seinem kleinkarierten Dreiteiler sieben lange Jahre den klassischen deutschen Werdegang vom Straßenschläger zum Staatsmann verkörperte. Igitt!

In der Zwischenzeit möchte ich übrigens auf das Blog „German Community of New Zealand“ hinweisen, mit der lustigen Adresse deutschebotschaftwellington.co.nz . Da schreiben ein paar Neuseelanddeutsche – mit der üblichen abfallenden Frequenz – viel zur Unternehmensgründung in Neuseeland und zu anderen tatsächlich nützlichen Themen. Eine Interessenvertretung ist auch das nicht, jedenfalls nicht mehr als unsere eigene Spielwiese, aber vielleicht provoziert sie die richtigen Institutionen im positiven Sinne. Die Hoffnung stirbt zuletzt

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