SideTrack: Religion Rugby


Rugby World Cup 2011

Ganz ignorieren sollte ein ordentlicher Neuseeland-Blog nicht, worauf die halbe neuseeländische Nation jahrelang hingefiebert hat, den Rugby World Cup (RWC) 2011, der am 12.09. mit einer Eröffnungszeremonie in Aucklands Eden Park Stadium begonnen hat.

Hört sich das ein wenig gezwungen an? Zugegeben, Rugby gehört nicht in meine „comfort zone“. 1989 habe ich ein Match zwischen den All Blacks und Frankreich in Christchurch gesehen. Ich erinnere mich nicht mehr an das Spiel (nicht mal daran wer gewonnen hat), denn an der Kurve, in der wir standen, kamen die Spieler nur ein paar mal vorbeigerannt, und sonst waren sie zu weit weg, um wirklich zu verstehen, was los war. Woran ich mich erinnere, ist relativ kühles Wetter und Alkohol in Strömen und entsprechendes Chaos in den Zuschauerrängen. An sich ist Rugby aber gar nicht uninteressant, jedenfalls viel gehaltvoller als ein scheinbar tumber Haufen großer Kerls, die sich gegenseitig umhauen.

Und Rugby ist – natürlich – eine neuseeländische Institution, ergo ist es für Besucher oder Einwanderer sinnvoll zu versuchen, die Grundlagen des Spiels zu verstehen.

Typen und Regeln

Zunächst mal gibt es beim Rugby, anders als beim Fußball, verschiedene „Codes“, also Ausprägungen/Regeln, nach denen gespielt wird, und dementsprechend separate Vereinsverbände. Die beiden bekanntesten dürften „Rugby Union“ und „Rugby League“ sein, wobei die berühmten neuseeländischen All Blacks die Rugby Union Variante auf internationaler Ebene vertreten. Die Regeln sind umfangreich, lassen sich aber wie folgt zusammenfassen:

  • Ziel ist es das Ei hinter die Linie zu tragen (nicht treten!), auf der das Tor steht, und dort abzulegen; das wird ein „Try“ genannt und dafür gibt es die meisten Punkte
  • nach einem Try gibt es die Möglichkeit einer „Conversion“ so einer Art Elfmeter (per Fuß geschossen), wobei es natürlich keinen Tormann gibt, und das Ei zwischen den Pfosten und oberhalb (!) der Latte durchgehen muss; im allgemeinen gibt es dafür in jedem Team Conversion-Experten
  • Neben Trys und Conversions kann ein Team noch durch ein „Field Goal“ zu Punkten kommen, einer Art Conversion aus dem Spiel heraus oder aufgrund eines Penalty
  • Zu einem Try kommt ein Team durch Spiel nach vorne, im allgemeinen Passspiel, wobei das Ei entweder zu einem Mitspieler geworfen wird, und zwar entweder nach hinten oder 90 Grad zur Spielfeldrichtung (nie nach vorne), oder durch Schuss per Fuss nach vorne. Da der Ball oval und nicht rund ist, ist die Schussbahn viel unberechenbarer als beim Fußball, so dass kontrolliertes Spiel am besten über Wurfpassstaffetten möglich ist; die können im Einzelfall ziemlich virtuos sein und stellen immer Glanzpunkte des Spiels dar, vor allem wenn sie über viele Stationen laufen
  • Der Normalfall ist aber, dass ein Stürmer irgendwann mal durch einen gegnerischen Spieler gestoppt wird, durch einen „Tackle“ (wobei wegen der Verletzungsgefahr nicht über den Schultern zugegriffen werden darf), im Zuge dessen beide (oder mehrere) Spieler meistens zu Boden gehen; wichtig ist, dass der Spieler den Ball nicht fallen lässt, denn nur dann wird das Spiel i.a. durch einen „Scrum“ (jedem leidgeprüften ITler ist die Ableitung des Begriffs in die Softwareproduktion hinreichend bekannt) fortgeführt, wobei je acht Spieler der gegnerischen Teams in jeweils halbrunder Formation aufeinander prallen, während der Ball entlang der Trennlinie der beiden Gruppen von unten eingeworfen wird und je ein Spieler versucht, den Ball per Fuß nach hinten durchzuschieben, wo er von einem Mitspieler per Hand aufgenommen und ins Spiel zurückgebracht wird. Bei dieser Operation ist es natürlich hilfreich, wenn die eigene Hälfte des Scrums die gegnerische wegdrückt, um Boden zu gewinnen.

Im einzelnen gäbe es noch viele Details und Feinheiten zu besprechen, aber zur Einführung taugt es d.h. damit kann man ein Spiel im Grunde verstehen. Obiges gilt im wesentlichen für Rugby Union und Rugby League, die Unterschiede liegen auf einem Detaillevel, in den wir uns sowieso nicht begeben wollen. American Football und Aussie Rules Rugby haben sich von den gemeinsamen Wurzel etwas weiter entfernt, aber da diese beiden Sportarten in Neuseeland keine Rolle spielen, befassen wir uns hier nicht damit. Nur soviel: American Football wird in NZ als Sport für kleine Mädchen („sissies“) betrachtet, da die Spieler allerlei Schutzkleidung tragen. Echte Männer tun das nicht.

Die All Blacks und der Haka

Rugby ist ein extremer Kontaktsport, für den man eine gewisse physische Robustheit mitbringen sollte. Schlimme Verletzungen bis hin zur Querschnittslähmung kommen trotzdem immer wieder vor. Den körperlich oft massigen Polynesiern in Neuseeland kommt die Körperbetontheit des Sports entgegen, und so gibt es auch selten ein All Black Team, in dem keine Maori, Tonganer oder Samoaner zu finden wären. Was uns zu einer weiteren Besonderheit bringt: dem legendären Haka-Drohtanz der All Blacks vor Beginn eines jeden Spiels. Der Haka ist sehr schön in dem unterlegten Wikipedia-Link beschrieben, der wenige Fragen offen lässt. Ob durch Zufall oder By Design, die erfolgreiche Verschmelzung eines urbritischen Sports mit Maori-Kriegsästhetik hat in der neuseeländischen Seele schon fast einen mystischen Platz eingenommen. Neuseeländischer als die All Blacks geht nicht. Entsprechend spielen sich erschütternde Szenen ab, wenn das Undenkbare eintrifft und die All Blacks ein Spiel verlieren, besonders gegen die Erzrivalen aus Australien, die sogenannten „Wallabies„. Das ist wie ein Fußballspiel zwischen den Niederlanden und Deutschland, nur viel schlimmer. Häufiger ist allerdings Langeweile das Problem, wenn die All Blacks mal wieder ein anderes Team in Grund und Boden stampfen, und sich ein unterhaltsames Spiel gar nicht entwickeln kann.

Trotz allem, eine Randsportart

Ein Problem mit Rugby ist der Mangel an Internationalität. Im wesentlichen ist der Sport in Großbritannien, Australien und Neuseeland, Südafrika und einigen pazifischen Kleinstaaten verwurzelt. In Kontinental-Europa sind wahrscheinlich Frankreich und Italien die wichtigsten Proponenten, während in Südamerika nur Argentinien Mannschaften formt, die den großen Drei etwas entgegen setzen können. Damit ist die Situation etwas besser als beim zweiten wichtigen neuseeländischen Sport, dem Cricket (der mir persönlich viel mehr liegt), aber reicht bei Weitem nicht aus um z.B. den RWC aus seiner relativen globalen Obskurität zu holen.

*** *** ***


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.