SideTrack: All Black Power – Gratulation zum Rugby World Cup 2015


Nach dem anämischen 8:7 der finalen Zitterpartie Neuseeland vs Frankreich in Auckland im Jahr 2011 ging im englischen Twickenham soeben ein Rugby Union World Cup zu Ende, dessen Finale sich des Anlasses würdig erwies und dazu noch den richtigen Champion hervorbrachte 😀

All Blacks (NZ) 34 : Wallabies (AUS) 17

Die starken Männer des neuseeländischen Rugby Union Nationalteams standen dabei wie immer unter absolutem Erfolgsdruck. Neuseeland empfindet sich als natürliche Rugby Union Weltmacht und jedes verlorene Turnier als Schande. Und wenn das jemand sagt, der auf nationale Stereotypen ansonsten, sagen wir, herabsieht – will das etwas heißen 🙂 Nach dem sehr knappen und unansehnlichen Sieg der All Blacks 2011 gegen Frankreich kreisten die Bürogespräche am Montagmorgen nach dem Fast-Albtraum um die undenkbaren Konsequenzen einer Niederlage. Eine Explosion depressiver Erkrankungen und eine wirtschaftliche Rezession zählten dabei zu den mildesten Schreckensvisionen.

Die Fixierung Kiwilands auf Rugby Union und die All Blacks ist selbstverstärkend. Sportlich ist Neuseeland in anderen Großturnieren wie Olympiaden und Fußballweltmeisterschaften kaum wahrzunehmen während der große Bruder Australien auf der Weltbühne durchaus mithalten kann. Andererseits ist die Rugbyszene in Australien zwischen den drei „Codes“ Rugby Union, Rugby League und Aussie Rules ziemlich zersplittert und so kommt es, dass das australische Rugby Union Nationalteam, die Wallabies, gegen die All Blacks regelmäßig den Kürzeren ziehen. In Neuseeland werden Rugby League und Aussie Rules übrigens eher als Mädchensport abgetan, weil sie wegen ihrer abweichenden Regelwerke weniger körperbetont, manche sagen brutal, sind.

Schillerndes Schwarz

Die All Blacks sind der Stoff aus dem Legenden erschaffen werden. Sie bedienen eine fragile nationale Psyche und sind medial unendlich attraktiv. Nichts ist so sexy wie Erfolg und der ist nach zwei aufeinander gewonnenen Weltmeistertiteln (und drei insgesamt) schwer zu überbieten. Man mische das mit ein bischen unverbindlicher Maorikriegerromantik in Form des All Black Haka (mir gefällt übrigens die durchgängigere Ka Mate Version besser also die heute aufgeführte) ab und erhält neben einer leidenschaftlichen nationalen Liebesgeschichte eine unwiderstehliche globale Marke. Sie sei Neuseeland mehr als gegönnt.

Australien hat es nach dem Wirtschaftsboom der letzten Jahrzehnte und seiner damit gestiegenen internationalen Bedeutung nicht nötig auch noch jeden Rugby-Code zu dominieren. Obwohl damit die meisten Australier gar nicht einverstanden wären, denn so liebenswert unsere Nachbarn (ganz ehrlich gemeint) auch sein mögen, sie präsentieren bei sportlichen Ereignissen die ur-australische Kombination aus schlechtem Verlierer und unerträglichem Gewinner 🙂 … wer Letzeres nicht glaubt, möge sich mit dem vernichtenden Sieg („… by seven wickets!“) des australischen Cricketteams über die neuseeländische Seite bei der Weltmeisterschaft im März 2015 beschäftigen – Stichwort „slanging“. So kenne ich meine Aussie Schurken, hehehe!

Rugby Union, Rugby League, Aussie Rules?

Wer Neuseeland verstehen möchte sollte sich auch ein wenig mit dem neuseeländischen Nationalsport beschäftigen. Ein Haufen Riesen, die einem Ei hinterherrennen und sich dabei gegenseitig umhauen? Nicht ganz. Die Regeln sind eigentlich ziemlich kompliziert, wesentlich komplizierter als Spielregeln beim Fußball. Statt tausend Worten bietet sich eine Präsentation per Video an und derer gibt es genügend. Wer den komischen Akzent (schottisch?) ertragen kann, dem sei eine dreiminütige Kurzzusammenfassung der wichtigsten Rugby Union Regeln empfohlen:

Wer einen Kiwiakzent vorzieht oder sich darin üben möchte und mehr Zeit mitbringt kann sich dagegen das folgende fast einstündige Gesamtkunstwerk zum Thema ansehen:

Nun meine eigene Miniaturversion. Stark verkürzt gibt es für eine Mannschaft vier Möglichkeiten Punkte zu erzielen:

  • – einen „try„: hier trägt ein Spieler den Ball in den Bereich hinter die gegnerische Torlinie und drückt ihn fest zu Boden: 5 Punkte
  • – eine „conversion„: folgt im Anschluß an den „try“; der Ball wird etwa 20 Meter gerade/senkrecht vom Punkt des Niederlegens des „try“ ins Spielfeld zurückverlegt. Von dort versucht ihn ein Spieler (meistens Spezialisten) per Fuß ins Tor zu schießen. Das Tor ist der Bereich zwischen den zwei vertikalen und der horizontalen Torstange: 2 Punkte (übigens ist das der Grund, warum Spieler nach Möglichkeit versuchen einen try nahe der Torbalken abzulegen – die conversion wird einfacher)
  • – ein „drop kick„: kann jederzeit aus dem Spiel heraus geschehen. Der Spieler wirft den Ball zu Boden und schießt ihn nach dem Bodenkontakt per Fuß ins Tor: 3 Punkte
  • – ein „penalty„: wird nach Fouls gegeben. Der Ausführende legt den Ball auf den Boden und versucht ein Tor per Fuß zu erzielen: 3 Punkte

Während des Spiels kann man mit dem Ball unter dem Arm vorwärts, also in Richtung gegnerisches Tor rennen oder ihn per Fuß in diese Richtung schießen. Pässe, also das Werfen des Balls zwischen zwei Spielern ist allerdings nicht in Richtung vorwärts erlaubt, Pässe müssen immer nach hinten oder seitlich gespielt werden.

Anders als im Fußball ist es erlaubt einen Gegenspieler mit Körpereinsatz zu Boden zu bringen, um ihn aufzuhalten und in Ballbesitz zu gelangen. Der Vorgang nennt sich „tackle„. Allerdings gibt es auch da Regeln. Zu hohes Ansetzen, z.B. im Bereich des Nackens kann zu schweren Verletzungen führen und wird streng geahndet. Bei Rugby Union gibt es im Gegensatz zu Rugby League und American Football keinen formalen Ballverlust, wenn die Anzahl der Versuche einen „try“ zu erzielen ein bestimmtes Maximum überschreitet. Eine Mannschaft muss tatsächlich der anderen den Ball mehr oder weniger aktiv abnehmen.

Wenn der Ballbesitz nach einem „tackle“ unklar ist, können Spieler der beiden Mannschaften die Sache über einen ruck oder einen maul (ein hoher „ruck“) regeln: man versucht die Spieler der gegnerischen Mannschaft vom Ball abzudrängen und sich so Ballbesitz zu sichern. Dieser Vorgang kann chaotisch aussehen, folgt aber festen Regeln.

Die bekannste, aber eigentlich seltenere Art des Kampfs um Ballbesitz, der nur als Folge von Regelverstößen zum Einsatz kommt  ist wahrscheinlich der „scrum“ bei dem große Gruppen von Spielern sich jeweils halbkreisförmig aufstellen und als Verband versuchen die Spieler des anderen Teams abzudrängen, während der Ball vom Schiedsrichter unter dem scrum eingeworfen wird. Ähnlich spektakulär sieht ein Seiteneinwurf durch den Schiedsrichter aus, nachdem ein Ball das Spielfeld verlassen hat; beim „line out“ wird ein Spieler von seinen Mitspieler wurfartig angehoben, um besser an den eingeworfenen Ball zu kommen.

Nun ist der kurze Freudenartikel zum Sieg der ABs doch etwas länger geworden als gedacht. Rugby League und und Aussie Rules bespreche ich hier und heute nicht mehr – sie sind sowieso eher etwas australisches, bzw. im Fall Aussie Rules sogar ein spezifisch ‚viktorianisches‘ Gewächs, d.h. im Bundesstaat Victoria entstanden (interessanterweise als Vorbild des ähnlichen „Gaelic Football“ Codes am anderen Ende der Welt). Rugby League wird in Neuseeland durchaus praktiziert z.B. in Form des Teams New Zealand Warriors, das in der australischen NRL Liga spielt. Was mich an meinen Flug im letzten Herbst mit der bekannten NRL Mannschaft Brisbane Broncos von Brisbane nach Auckland erinnert und daran, dass ich mit meiner Airline-Besprechung auch noch nicht ganz fertig bin 😕  … also bis demnächst …

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