SideTrack: NZ2014 – in bei Besuchern, out bei Einwanderern


Wenn ihr Euch je gefragt habt, was die Neuseeländer eigentlich mit den vielen „arrival cards“ anstellen, die jeden Tag zu zig-Tausenden brav an den Passkontrollschaltern der internationalen Flughäfen ausgefüllt und abgegeben werden … sie enden im wesentlichen in Statistiken. Solchen hier zum Beispiel.

Der Entwicklung der Zahl deutscher Besucher in Neuseeland:

Deutsche Besucher in Neuseeland 2008 - 13 (c) NZ2Go.de

Deutsche Besucher in Neuseeland 2008 - 13 (c) NZ2Go.de

Die Schwankung der Besucherzahlen mit den Jahreszeiten ist völlig plausibel. Erstaunlicher schon wie wenig die ‚Krise‘ in Europa die deutschen Touristenströme beeinflusst hat. Es stimmt wohl, dass sich der Deutsche eher die Butter vom Brot spart, als auf den Interkontinentalurlaub zu verzichten 🙂 Andererseits bekam man 2009 auch fast 2,6 Kiwidollar für einen Euro, während es heute gerade noch 1,6 NZD sind. Vielleicht macht es also doch – irgendwo, ganz entfernten – Sinn.

Auffällig sind auch die Besucherrekorde, die die Deutschen in dieser Saison aufgestellt haben. Fast 12000 deutsche Besucher im Dezember 2013, also 400 pro Tag, ein ganzer Großraumflieger voll, sind beeindruckend.

Jedenfalls haben die Magier von Tourism New Zealand die deutsche Reisefreude zum Anlass genommen eine der bizarrsten Aktionen der neueren neuseeländischen Werbegeschichte durchzuführen: 5 deutsche Blogger bekamen per Wettbewerb eine Reise nach Neuseeland spendiert. Und nicht irgendwelche Blogger, sondern durch die Bank Hedonismus & Konsum … pardon … ‚Lifestyle Blogger‘. Deren bald erscheinende (?) Berichte zur neuseeländischen Arts and Farts Szene werden sicher demnächst die deutschen Besucherzahlen steigern 🙂 , oder wie TNZ es so schön formuliert:

„… The campaign aims to inspire German Active Considers to visit New Zealand after reading first-hand experiential content. Germany is our second-largest visitor market in Europe. …“

„German Active Considers“, wow, richtiger Werbesprech. Na dann, viel Glück.

Beim Herumklicken auf den Erfindern von „100% Pure New Zealand“ fiel ich dann gleich noch auf die Plastikmenschenseite „Frage einen deutschen Kiwi“ von den Knalltüten von Air New Zealand. Auch alles Lifestyler, aber mit fast schon ausgeklügelter Psychologie dahinter durchmischt:

Ricarda aus Dresden‚ hat in Neuseeland vor fünf Jahren das Paradies entdeckt. Muss anscheinend nicht arbeiten, sondern segelt mit neuseeländischen Ersatzeltern an geheimnisvolle Strände. Sie spricht junge sich unverstanden fühlende Menschen an, die in Neuseeland nach Heilung suchen.

Anet und Luka aus Berlin‚ entdecken für Euch die Aucklander Kulti-Kulti-Szene, prototypisch für wohlhabende „professionals“ ohne Kind.

Anne aus Hamburg‚ macht Werbung für ihren neuseeländischen Mode-Arbeitgeber und ist nur von glücklichen Grinsern umgeben. Sie steht thematisch zwischen Ricarda und Anet/Luka, denn sie arbeitet ja schon und träumt nicht mehr so viel.

Gerdi (phonetisch aus Bayern)‚ hat die Berge anscheinend erst in der neuen neuseeländischen Heimat entdeckt, kann nach 25 Jahren immer noch kein akzentfreies Englisch, geht aber gern auf dem Markt einkaufen (war in Bayern sicher ein Problem) und trinkt weinselig mit den Gästen auf ihrem von Bodenerosion umgebenen Gut. Sie vertritt bürgerliche Werte, Familienglück und satte Gemütlichkeit.

Typische Einwandererschicksale halt 🙂 Würde mich ganz ehrlich interessieren, wie Air NZ diese (außer Gerda) Schar gutaussehender, erfolgreicher deutscher Einwanderer überhaupt gefunden hat. Per Annonce? Bei F-Book? Ich bin begeistert.

Leider scheinen es die Daheimgebliebenen aber partout nicht zu kapieren, ich meine, dass Neuseeland ein wahres Paradies ist, denn die Zahl deutscher Einwanderer nach Neuseeland lässt laut folgendem Graphen stark zu wünschen übrig:

Deutsche Einwanderungsanträge nach Neuseeland 2008-13 (c) NZ2Go.de

Deutsche Einwanderungsanträge nach Neuseeland 2008-13 (c) NZ2Go.de

Bei den Zahlen muss man aufpassen. Hier seht Ihr die Anzahl der Anträge auf Einwanderung nach Neuseeland, die pro Kalendermonat in Bearbeitung waren. Lasst Euch also nicht verwirren, wenn andernorts die ‚Deutschen‘ als momentan fünft stärkste Nettoeinwanderergruppe nach Neuseeland (etwa 2500 im Jahr 2013) genannt werden. Die haben mit den Subtilitäten der Erfassung zu tun, denn hier werden Deutsche mitgezählt, die eventuell schon längst nach Neuseeland ausgewandert waren, aber gerade von ein paar Jobjahren in Australien zurückkehrten.

Der Antragsknick der letzten Monate ist sicher auf die momentan als gut empfundene Wirtschaftslage in Deutschland zurückzuführen. Ich gehe davon aus, dass sich die Zahlen wieder normalisieren, sobald sich die deutsche Wirtschaftseuphorie gelegt hat. Auch ganz ohne die ‚deutschen Plastikkiwis‘ von oben 🙂

***

Für mich selbst ist an all dem am Erstaunlichsten, dass die Leserzahlen von NZ2Go kontinuierlich steigen, obwohl wir uns mehr um potentielle Einwanderer oder schon Eingewanderte kümmern, als um Besucher. Am heftigsten gelesen werden in letzter Zeit übrigens ausgerechnet die pants-down Artikel zur Kriminalität in Neuseeland und Auswanderung nach Neuseeland und alles was mit Auswanderung im Rentenalter zu tun hat. Es gibt wohl doch noch Nachfrage nach echter Information da draußen und nicht nur nach Hochglanzwerbung. Gut so.


3 Responses to SideTrack: NZ2014 – in bei Besuchern, out bei Einwanderern

  1. Luka sagt:

    Hallo, bin erst gestern auf deine Seite gestossen. Kannst schoen schreiben..
    Wollte nur mal was zu dieser „Frage einen deutschen Kiwi“ Kampagne anmerken, die ueberigends seit gestern micht mehr im Netz ist.
    Die ganze Sache ist natuerlich Werbung und muss auch so verstanden werden. Ein, deutscher junger Werbefutzi, der in irgendeiner hippen Londoner Agentur arbeitet hat such diesen ganzen Quatsch ausgedacht und es geschafft dieses Konzept an Air NZ zu verkaufen. Gebucht wurde eine deutsche Dokumentarfilmerin aus Berlin und die 4 deutschen Auswandererbeispiele, wurden gecastet. Das ganze ist natuerlich nur in Teilen wahr, und die Storys haben ein Drehbuch welches sich Air NZ ausgedacht hat. Hat also nichts mit wirklichen Menschen zu tun und Deine Kommentare zeigen, dass auch Du auf die Werbung reingefallen bist.
    Bsp. Luka und Anet: Bei “ prototypisch für wohlhabende „professionals“ ohne Kind.“, mussten wir gestern Abend herzlich lachen. Zu der Zeit haben wir gerade eine Bruchbude in South Auckland gekauft(weil wir uns mehr nicht leisten konnten) und unser zweites Kind bekommen.
    Uebrigends, hat Air NZ ziemlich gut bezahlt, sonst haette das keiner der deutschen Protagonisten gemacht. Werbung halt.
    Wenn Du in Auckland bist, gerne mal auf ein Kaffee?

    • Peter sagt:

      Hi Luka

      Danke für die Klärung des Air NZ Stunts. Na immerhin hatte ich – Naivling – gedacht, die wären nur peinlichst handverlesen und nicht — erfunden. Arbeitest Du bei Air NZ, oder woher kommen diese Interna? Und wann zahlt Air NZ MIR einen Haufen Geld, damit ich gut über sie schreibe?

      Kaffee ist notiert, ich komme ggf. mit Kevlarweste nach South Auckland.

      Gruß, Peter

      • Luka sagt:

        Hi Peter,
        ne Freundinn von uns hat das casting gemacht und so sind wir in die Sache reingerutscht.
        Die Geschichte ausfuehrlich gerne auf ’nen Kaffee. Wir haben unser Haus in South Auckland vermietet und wohnen jetzt seit kurzem zur Miete in Eden Tce, kannst also Deine Kevlarweste im Schrank lassen.

        Gruss Luka

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.