Factsheet: Behörden – Einwanderung, Steuern, Bildung


Ausländerbehörden und Einwanderung

Als Tourist können einem die lokalen Behörden weitgehend egal sein, außer man hat Visaprobleme, oder ist zu schnell Auto gefahren und ähnliches – und all das wollen wir nicht hoffen. Einwanderer hingegen sollten ein paar Fundamentalfakten verstehen.
Da ist zunächst einmal das weite Feld der Einwanderungsbehörden. Ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen, ist mein Rat, sich primär nicht an einen Einwanderungsberater zu wenden, sondern – sofern man auch nur halbwegs des Englischen kundig ist – den Prozess soweit wie möglich selbst voranzutreiben, und nur bei ernsthaften Problemen auf Einwanderungsanwälte und -berater zurückzugreifen. Denn der Prozess ist relativ transparent, folgt klaren Regeln, und ist gut dokumentiert (www.immigration.govt.nz). Den ersten Schritt, die sogenannte „Expression of Interest“ kann man online ausfüllen und einreichen. Je nachdem wie viele Punkte man dort erreicht, kommt man in einen „Expression of Interest Pool“. Alle zwei Wochen werden daraus Antragsteller ausgewählt, und ggf. aufgefordert den eigentlichen Einwanderungsantrag zu stellen („Invitation to Apply“). Wenn man nicht ausgewählt wird, bleibt man drei Monate lang im Pool, danach wird man entfernt, bis man eine neue Expression of Interest einreicht.  Im allgemeinen sollte man Geduld für dieses ganze Prozedere mitbringen, und auch ein gerüttelt Maß an Hartnäckigkeit, weil es nicht selten ist, dass ein Antrag irgendwo auf Halde liegt, der Sachbearbeiter gerade mal keine rechte Lust zu arbeiten hat usw. Mir ist jedenfalls noch kein Fall untergekommen bei dem ein ’normaler‘ Deutscher oder eine Deutsche (also nicht straffällig, mit Berufsausbildung, halbwegs gesund usw.), die wirklich nach Neuseeland einwandern wollen, die formalen Hürden letztlich nicht genommen hätten.

Steuern

Die zweitwichtigste Sache ist wahrscheinlich das Finanzamt, Inland Revenue Department (IRD). Nachdem man sich z.B. beim Postamt seine IRD-Nummer beantragt hat, und diese z.B. seinem Arbeitgeber übergeben, kann man sich auf der Webseite des IRD einen online account einrichten, www.ird.govt.nz, auf der man dann bequem z.B. den Status der Bearbeitung der laufenden Steuererklärung einsehen kann (schade, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt!). Das Finanzjahr in NZ läuft kurioserweise vom 01.04 eines Jahres bis zum 31.03 des Folgejahres (wie in Japan, übrigens), was den Übergang vom deutschen ins neuseeländische Steuersystem nicht erleichtert. Denn wenn man tatsächlich ohne lange Unterbrechung zuerst in Deutschland und dann in Neuseeland in Lohn und Brot steht, also Einkommenssteuer zahlt, überschneiden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Finanzjahre, und es muss die Frage geklärt werden, wo man primär steuerpflichtig ist. Zunächst gilt die 186-Tage Regel, nach der man dort steuerpflichtig ist, wo man in einem Finanzjahr mehr als 186 Tage seinen Lebensmittelpunkt hatte – wobei Lebensmittelpunkt nicht völlig klar definiert ist. Weil es so kurios ist, hier der betreffende Abschnitt aus dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Neuseeland:

Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a)   Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

b)   Kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c)   Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist.

d)   Ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.

Prinzipiell ist es möglich, dass man wegen der Zeitverschiebung zwischen den Finanzjahren in beiden Ländern steuerpflichtig (und man mit einer Steuerlast, die höher als 100% liegt, endet) ist, oder auch in keinem. Aber da es seit 1978 ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Neuseeland gibt, kann es zum Supergau der doppelten Besteuerung nicht kommen. Noch als Randnotiz für die Steuerehrlichen: Zinseinnahmen in Neuseeland werden, auch wenn man nur in Deutschland steuerpflichtig ist (Touristen) sowohl durch Deutschland als auch Neuseeland besteuert, wobei Neuseeland pauschal 10% der Zinsen als Steuern geltend macht, die in Deutschland dann auf die dort geltenden Steuern auf Zinsen angerechnet werden.

Zudem gibt es im neuseeländischen Steuerrecht noch die 325-Tage Regel, die besagt, dass wenn man weniger als 325 Tage pro Jahr aus Neuseeland abwesend war, man unter bestimmten Umständen in Neuseeland steuerpflichtig ist, d.h. dass man zumindest mal eine volle Steuererklärung abgeben muss, inklusive aller in Deutschland erzielten Einkommen, und Neuseeland dann seinen Teil der Beute mit dem deutschen Finanzamt abstimmt. Hört sich nach einem mittleren Alptraum an – ist es, wenn es dazu kommt, wohl auch. Die „bestimmten Umstände“ werden vom IRD nach den Kriterien des Formulars IR886 bestimmt (www.ird.govt.nz). Laienhaft gesprochen, geht es auch hier darum, festzulegen zu welchem Land man stärkere Bindungen hat. Das Land mit den stärkeren Bindungen bekommt bei der Besteuerung Vortritt. Obwohl ich kein großer Freund von Steuerberatern bin, würde ich in so einem Fall – wenn es um viel Geld geht – raten die Sache von einer entsprechenden Kanzlei übernehmen zu lassen, vorzugsweise einer mit internationalem Arm, die also Büros/Expertise sowohl in Deutschland als auch Neuseeland hat.

Im Moment gelten in Neuseeland die folgenden Einkommenssteuersätze, die im Vergleich zu Deutschland günstig sind:

$0 – $14,000: 10.5%

$14,001 – $48,000: 17.5%

$48,001 – $70,000: 30%

$70,000 and over: 33%

Man nehme zur Kenntnis, dass es keine Steuerfreiheit für Niedrigeinkommen gibt, wie das der Fall in Deutschland ist. Dasselbe gilt für Zinseinkommen, wo es in Neuseeland keine Freibeträge gibt. Außerdem ist es in jedem Fall nötig (wenn man denn in NZ steuerpflichtig ist) eine Steuererklärung einzureichen, im Gegensatz zu Deutschland, wo das unter bestimmten Bedingungen für Steuerklasse I nicht notwendig ist. Andererseits, sind obige Abzüge so ziemlich alles was vom Brutto abgezogen wird. Es gibt keine quasi-Zweitsteuer in Form von Sozialabgaben wie in Deutschland, mit Ausnahme einer (wahlweise) 2 bis 8 prozentigen Abgabe für den „KiwiSaver“ (siehe FactSheet zur Altersvorsorge), und auch der ist freiwillig.

Die Mehrwertsteuer (GST = Goods and Services Tax) liegt pauschal bei 15%, ohne Unterscheidung zwischen verschiedenen Waren und Dienstleistungen – anders als in Deutschland, das bekanntlich einen vollen und einen geminderten Mehrwertsteuersatz kennt.

Ansonsten erhebt Neuseeland weder Erbschaftssteuer, noch Kapitalertragssteuern (zum Beispiel beim Kauf und Verkauf eines Hauses). Die Schenkungssteuer wurde gerade erst abgeschafft. Im Vergleich zu Deutschland ist das Steuersystem für Privatpersonen also relativ verständlich.

Bildung & Erziehung

Über das staatliche Gesundheits- und Sozialversicherungssystem (und deren Verwaltungsorgane), und auch über die KfZ-Behörden, den Verkehr usw., werde ich mich in gesonderten Artikeln auslassen. Was noch als größere Position im Bereich Ämter bleibt, wäre dann das Bildungssystem Neuseelands. Der Wikipedia-Artikel „Education in New Zealand“ gibt einen hervorragenden Überblick, und ich will hier nicht den Übersetzer spielen, sondern steuere noch eigene Erfahrungen bzw. Punkte bei, die ich für besonders relevant halte.

Was Schule angeht sind meine Erfahrungen begrenzt, da ich selbst keine schulpflichtigen Kinder habe. Es gibt aber gute Internetressourcen, um sich einen Überblick zu verschaffen, zum Beispiel www.kiwifamilies.co.nz. Kernpunkt der Angelegenheit ist es, eine ‚gute‘ Schule für sein Kind zu finden. Dabei scheint man sich nach den sogenannten „Deciles“ auszurichten, der offiziellen Einteilung aller neuseeländischen Schulen auf einer Skala von 1 bis 10, die nach dem Prozentsatz der Schüler ansteigt, die aus gehobenen sozio-ökonomischen Schichten stammen. Eine Schule im Decile 1 unterrichtet viele Schüler aus unteren sozialen Schichten, erhält aber auch eine überproportionale Zuteilung staatlicher Gelder. Eine Schule im Decile 10 unterrichtet im wesentlichen die Kinder der sozialen Elite, und bekommt dafür entsprechend weniger staatliche Förderung, was heißt, dass Eltern oft Geld zuschießen müssen, um gewisse Aktivitäten der Schule zu ermöglichen. Die Kiwi-Families-Seite enthält einen Link auf die aktuelle Rangliste der Schulen: www.educationcounts.govt.nz/statistics -> Schooling -> Directories -> Educational Instituations and their Contact Details -> Schools Directory (die Spalte „Decile“ findet sich ziemlich weit rechts, neben den Zahlen zur Ethnie der Schüler, die sicher auch interessant ist). Die meisten Eltern wollen anscheinend ihre Kinder in eine ‚gute‘ Schule mit hoher Decile-Nummer schicken. Es gibt dabei im allgemeinen allerdings keine Wahlfreiheit. Die Mehrzahl der Schulen definieren eine „Home Zone“, also einen natürlichen geografischen Einzugsbereich um die Schule herum (www.schoolzones.co.nz). Schüler die dort leben, haben ein Anrecht (!) darauf, die entsprechende Schule zu besuchen, und es gibt genug Eltern, die nur aus diesem Grund umziehen, bzw. ein Haus in einer bestimmten Schulzone kaufen, vor allem die oft ehrgeizigen Asiaten (vgl. Artikel zu Häusern) – das erklärt übrigens auch Aussagen in Immobilienannoncen à la „Inside the all important Westlake Zone“ = das Haus liegt in der Schulzone der Westlake Boys‘ High School.

Zur Qualität neuseeländischer Schulen im internationalen Vergleich möchte ich mich mangels hinreichender Eigenerfahrung nicht äußern. Bei den Pisatests schlagen anscheinend neuseeländische Kinder ihre deutschen Altersgenossen um Längen (PISA 2009: http://www.oecd.org/dataoecd/54/12/46643496.pdf). Wie gesagt, ich enthalte mich weitgehend eines Kommentars oder Interpretation. Interessant wäre es aber zu wissen, wie der Vergleich der Leistungen deutscher Schüler ohne Migrationshintergrund mit denen neuseeländischer Schüler aussähe – eine Statistik, die meines Wissens nicht publik ist.

Hier noch einige Soft Facts. Das „Kinder in Gefangenschaft“-Syndrom ist meiner Beobachtung nach in Neuseeland weniger stark ausgeprägt als in Deutschland. Will sagen, dass Kinder hier oft noch ganz altmodisch zu Fuß zur Schule gehen, und damit nicht ständiger elterlicher Überwachung unterliegen. Die täglichen Schulzeiten sind weniger an Frühaufstehern orientiert als in Deutschland, und dauern meist von 8:45 bis 15:15, auch wenn der Zeitplan von Schule zu Schule leicht schwankt. Zu erkennen sind Schulkinder im Straßenbild an den in Neuseeland üblichen Schuluniformen, die ich persönlich bereichernd finde. Uniformen entbinden Eltern von der Was-Anziehen Frage, und mildern die Offensichtlichkeit der Finanzkraft der Herkunftsfamilien. Außerdem sehen Kinder in den Uniformen hübsch aus. Es gibt in Neuseeland übrigens noch viele getrennte Mädchen- und Jungenschulen (die allerdings oft nebeneinander stehen). Auch das wäre dem deutschen Alt-68er ein Dorn im Auge, aber Gott-sei-dank hat diese Spezies hier weniger gesellschaftliches Gewicht als in Deutschland. Weder Schuluniformen noch getrennte Schulen spielen in der öffentlichen Diskussion eine Rolle.

Tradition hat in Neuseeland auch eine Kultur des Lobens statt Strafens. Fast jedes Kind gewinnt in der Schule irgendeine Auszeichnung. Uns mag das übertrieben erscheinen, aber ich finde eine auf positive Rückkoppelung basierende Erziehung im Prinzip sinnvoll. Das heißt noch nicht, dass jedes neuseeländische Kind ein gesundes Selbstvertrauen ausbildet – aber es beeinflusst die Wahrscheinlichkeiten. Insgesamt erscheinen mir – ganz subjektiv – die jungen Menschen hier aber glücklicher als in Deutschland, und ich habe auch den Eindruck, dass sie schneller erwachsen werden als in Deutschland.

Nach dem Schulabschluss (nach 13 Jahren, wie in Deutschland) unternehmen viele Jung-Kiwis ihr „OE“, was für Overseas Experience steht und eine Art „rite of passage“ darstellt, also den Initiationsritus der den Übertritt vom Jugendlichen zum Erwachsenenstatus unterstreicht. Das Timing ist allerdings flexibel. Heranwachsende aus weniger betuchten Elternhäusern verschieben ihr OE oft in den Lebensabschnitt zwischen 20 und 30 Jahren, da sie dann schlicht das Geld für eine längere Reise haben, oder die berufliche Qualifikation einen Job „overseas“ zu finden. Wie schon andernorts diskutiert, (vgl. Artikel Die Offenheit der Kiwis) zieht noch immer London die meisten neuseeländischen OE-ler magisch an. Für den Rest Europas, insbesondere das „Munich Beer Festival“ (Oktoberfest) bleiben meist nur gelegentliche Ausflüge auf den Kontinent. Die Länge eines OE kann zwischen ein paar Monaten und Jahren schwanken. Immer beliebter werden allerdings auch asiatische Destination, bei denen die OE-ler dann z.B. als Englischlehrer tätig sein können.

Die Anzahl der Schulabgänger, die in Neuseeland eine Universitätsausbildung aufnehmen, ist prozentual höher als in Deutschland, auch wenn man sich darüber streiten kann, ob jede neuseeländische Universität wirklich diese Bezeichnung verdient, und jeder dort angebotene akademische Grad in eine Universität gehört. Im Jahr 2007 hatten in der Altersgruppe 25-35 in Neuseeland fast 50% der Bevölkerung eine tertiäre Ausbildungsstufe erlangt, in Deutschland waren es knapp über 20% (www.oecd.org , „Education at a Glance 2009“), was auch immer das aussagen mag. Im Detail sind diese Zahlen schwer zu interpretieren, wegen Problemen mit Vergleichbarkeit, Qualität usw. Es stellt sich mithin auch die Frage, was ein Agrarland wie Neuseeland eigentlich mit soviel (vorgeblich) Hochqualifizierten anfangen will. Eine Jobbasis dafür existiert nicht.

Ein Blick auf die aktuellen Universitäts-Rankings (QS World University Rankings 2010, www.topuniversities.com/university-rankings/world-university-rankings/2010/results) deutet (bei aller Problematik dieser Bewertungen) darauf hin, dass die besten neuseeländischen (University of Auckland: Rang 68, University of Otago: Rang 135) und besten deutschen Universitäten (Universität Heidelberg: Rang 51, TU München: Rang 58, LMU: Rang 66, FU Berlin: Rang 70) ungefähr in der selben Liga spielen. Das deckt sich in etwa mit meiner persönlichen Einschätzung, obwohl ich denke, dass die deutschen Universitäten ein wenig unter Wert gehandelt werden.

Ich selbst habe vor vielen Jahren einen Master in Theoretischer Physik an der University of Canterbury in Christchurch absolviert, und muss im Nachhinein sagen, dass dieses Jahr mein Leben grundlegend verändert hat. Das Studentenleben an einer deutschen Massenuniversität, die von den 68ern jeglicher Traditionen und Rituale beraubt worden ist, fand ich bedrückend, auch wenn es sich bei dieser Universität, der TU München, um eine der besten Deutschlands handelte. Trotz der großartigen Qualifikation der Dozenten und Tutoren, war es insgesamt doch ein überfülltes, langweiliges, anonymes Leben in dem der Professor fast unerreichbar auf einem Sockel stand, dem der gemeine Student kaum einmal nahe kam. Das Campusleben an der University of Canterbury fand ich im Vergleich dazu unendlich interessanter. Zunächst gab es einen Campus, und nicht ein paar Universitätsgebäude plus Mensa wie in München. Da waren Cafes, Banken, kleine Lebensmittelläden, und eine sehr aktive Szene an studentischen Clubs und Vereinen. Kurse und Seminare waren nie überfüllt, und meinen Professor sah ich fast zu oft, so in etwa einmal am Tag, was ich zunächst belastend empfand, weil sich daraus ein gewisser Überwachungsdruck ableitete, sich später dann aber als enorm wichtig für meinen menschlichen wie akademischen Werdegang entpuppte. Ich entwickelte mich innerhalb eines Jahres von einem mehr oder minder anonymen deutschen Studenten, der vor sich hinwurstelte wie Millionen andere, zu einem tragenden Mitarbeiter an einer substantiellen (wenn auch nicht umfangreichen) Forschungsarbeit, ich lernte akademische Besucher aus aller Welt kennen, nahm an Tagen der Offenen Tür mit Schulkindern teil usw. In der überschaubaren akademischen Szene Neuseelands erwarb ich mir damit in kurzer Zeit einen gewissen Ruf, und vorbei war es mit der Anonymität der bleiernen Zeit an deutschen Universitäten. Schön fand ich auch das unkomplizierte Verhältnis zu akademischen Traditionen. Mein Vordiplom an der TU München holte ich mir noch aus dem Kellerbüro eines übelgelaunten Beamten ab. Den Masters der Universität Canterbury gab es vor pompöser Verleihungskulisse mit mittelalterlichem Gewand, begleitet von Musik und Reden, und die Urkunde sah wichtig aus, und war kein verwaschener Computerausdruck. Natürlich, all das ist rational gesehen überflüssig. Spaß macht es trotzdem, und es schafft eine gewisse emotionale Bindung an die Alma Mater.

Seit meinen Studententagen an der Universität Canterbury hat sich viel geändert. Damals war ich als internationaler Student eine Rarität. Ich musste nicht einmal Studiengebühren zahlen. Heute gehört „Education“ zu einer der größten Einnahmequellen Neuseelands, und das Publikum hat sich stark gewandelt. UCLA steht offiziell für University of California, Los Angeles, und inoffiziell für University of Caucasians Lost among Asians. Ähnlich sehen die Verhältnisse an neuseeländischen Universitäten aus. An der University of Auckland (www.auckland.ac.nz) gab es im Jahr 2000 noch 50% Studenten europäischem Herkunft, und 30% asiatischer Herkunft. Im Jahr 2009 hatte sich das Verhältnis bereits auf 42% zu 36% gedreht. Ähnlich eindeutig fällt die Entwicklung beim Verhältnis männlicher zu weiblichen Studenten aus. Hielten sich Männer und Frauen im Jahr 2000 noch in etwa die Waage (52% Frauen), so war neun Jahre später die weibliche Dominanz erheblich ausgeprägter und lag bei 57%.

Wie im angelsächsischen Kulturraum üblich, gibt es keinen bürokratischen Automatismus bei der Universitätszulassung (wie in Deutschland), sondern man muss sich bewerben, und man muss relativ hohe Studiengebühren zahlen. Die schwanken zwischen Universitäten und Studiengängen erheblich, deshalb kann ich hier keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Auckland University nahm im Jahr 2010 für Undergraduate Degrees (Bachelor of Irgendwas) von neuseeländischen Studenten etwa 5000 NZD pro Jahr in Studiengebühren (im Bereich Medizin allerdings mehr als das Doppelte), während ausländische Studenten mit 25,000 NZD (etwa 14,000 Euro) pro Jahr dabei waren. Krasser könnte der Gegensatz zur deutschen Situation nicht sein, in der ausländische Studenten einheimischen gleichgestellt werden. Eine Tatsache, die den deutschen Universitäten gerade unter sparsamen Asiaten immer mehr Popularität verschafft und so die Überfüllung der deutschen Massenuniversitäten offenkundig noch verschärft.

Obwohl nicht ganz länderkompatibel, zum Abschluß noch eine kleine Anekdote zum überbordenden Selbstbewußtsein deutscher Studentenschaft. Die Universität an der ich Anfang der 90er Jahre meine Promotion erlangte, die Australian National University in Canberra (Australien) ist im QS-Ranking immerhin die zwanzigstbeste der Welt, weit vor deutschen Universitäten plaziert. Als ich seinerzeit ein paar deutsche Rucksackstudenten in Australien traf und ihnen erzählte, dass ich in Canberra studierte, kam mir ungläubiges Staunen entgegen. Die deutsche Bildungselite hatte nicht vermutet, dass es in Australien überhaupt Universitäten gab. Diese leider nicht ganz undeutsche Ignoranz/Arroganz ist in den letzten 20 Jahren der Globalisierung allerdings wesentlich schwächer geworden, und mit dem Bekanntwerden der Pisastudie eigentlich ganz verpufft. Und das ist gut so.


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