Generelles
Macht euch die Mühe für jeden Arbeitgeber einen eigenen Brief zu verfassen. Natürlich könnt ihr eure Lieblingsredewendungen und -sätze wiederverwenden, aber spart euch einen Standardbrief, in dem ihr mehr oder weniger nur den Namen des Arbeitgebers austauscht. Das Schablonenartige wird bemerkt und ist ein KO Kriterium.
Stöbert im Internet nach Information zur Firma, die nützlich sein könnte um zu zeigen, wie gut ihr ins Unternehmen passen würdet. Spätestens für das Vorstellungsgespräch müsst ihr sowieso diese Hausaufgaben erledigen.
Fasst euch kurz. Das Anschreiben sollte im allgemeinen nicht mehr als eine Seite umfassen. Eine Ausnahme bilden Bewerbungen im öffentlichen Dienst. Dort werden oft „statements against selection criteria“ verlangt. Die könnt ihr als gesondertes Dokument abgeben oder, wenn die selection criteria nicht zu umfangreich sind, in das Anschreiben integrieren, das dann natürlich viel länger werden kann. Zu „selection criteria“, also Auswahlkriterien für Stellen im öffentlichen Dienst schreibe ich, wenn einmal viel Muße ist, einen eigenen Artikel. Das Thema ist eine Wissenschaft für sich, zu der es tatsächlich ganze Bücher gibt.
Ein normales Anschreiben umfasst vier bis fünf Absätze:
Absatz 1: Wer bin ich und was will ich?
Also ganz allgemein, nicht auf das Stellenangebot bezogen. Im Fall einer noch ausstehenden Übersiedlung von Deutschland nach Neuseeland könnt ihr hier auch anbringen, warum ihr den „big move“ nach Neuseeland unternehmen wollt, wobei gilt je bodenständiger, desto besser. Einem Partner oder Familie nach Neuseeland folgen zu wollen ist sehr bodenständig, schon in Neuseeland gelebt, gearbeitet oder wenigstens viel Zeit verbracht zu haben ebenso. Neuseeland schon immer toll gefunden zu haben, oder der politischen Repression in Deutschland zu entkommen klingt weniger einnehmend.
Absatz 2: Was kann ich?
Seid euch eures Status als deutsches Wunderkind bewusst – auch wenn ihr euch für gar nicht so genial haltet. Neuseeland ist und sieht sich nicht als Nation in der ersten Reihe. ‚Experten‘ aus Ländern, die in der Hackordnung höher vermutet werden, wie – momentan noch – Deutschland, genießen viel Respekt. Spielt das zu Euren Gunsten aus. Ihr dürft auf keinen Fall defensiv oder halbherzig wirken, sondern müsst euch selbstbewusst vermarkten. Konkrete Beispiele irgendwelcher erfolgreicher Projekt, Produkte oder anderer Tätigkeiten, bei denen ihr euch hervorgetan habt („key achievements“) sind in diesem Zusammenhang viel beeindruckender als allgemeine Statements. Erfolg könnt und solltet ihr zum Bespiel mit erhöhtem Absatz, größerer Kundenzufriedenheit, einem Bonus der ausgezahlt wurde, einer firmeninternen oder sonstigen Auszeichnung usw. belegen.
Absatz 3: Warum passe ich in diesen Job?
Wohl das entscheidenste Stück Text im Anschreiben. Verbindet eure Fähigkeiten und Erfahrungen mit den Anforderungen der Firma und nutzt dabei nach Möglichkeit die Informationen, die ihr vorbereitend über das Unternehmen gesammelt habt. Wenn ihr, als willkürliches Beispiel, herausgefunden habt, dass die Firma viel nach Indien outsourced, der Job geschäftliche Kontakte in dieses Land mit sich bringt und ihr früher schon mit Indien zu tun hattet, dann bringt so etwas an. Wenn in der Firma potentiell Deutschkenntnisse nützlich sein könnten, dann liegt dieser „unique selling point“ natürlich auf der Hand.
Absatz 4: Was ist mein „immigration status“ bzw. wann und wie könnte ich mit dem Arbeitgeber sprechen?
Zu eurem Visastatus solltet ihr euch unbedingt äußern, wenn ihr in dieser Beziehung gut dasteht, also wenn ihr schon ein Visum habt, das euch erlauben würde in Neuseeland ohne weitere Formalitäten einzureisen und die Arbeit aufzunehmen. Ist dem nicht so, sei es eurem persönlichen Stil überlassen, ob ihr die eventuelle Mehrarbeit für den Arbeitgeber bei Rekruitierung aus Übersee schon hier andeuten wollt, oder erst das Vorstellungsgespräch abwartet, um die Katze aus dem Sack zu lassen.
Wenn ihr in Neuseeland unterwegs seid, dann gebt an von wann bis wann ihr persönlich vor Ort sein könntet. Ansonsten gehen heutzutage immer Videointerviews über Skype oder ähnliche Kommunikationssoftware.
Sprache und andere Äußerlichkeiten
Im ersten Teil der Bewerbungsreihe habe ich auf die Wichtigkeit eines durchgängigen und einheitlichen Stils und Formats im Lebenslauf aufmerksam gemacht und die setzt sich ins Anschreiben fort. Das heißt, benutzt im Anschreiben die selben Formate für Datum, Adressen, Telefonnummern etc die ihr schon im Lebenslauf verwendet habt. Schludern und Schlampen ist eigentlich etwas sehr neuseeländisches, aber genau in diesem Punkt könnt ihr beeindrucken und es dem Arbeitgeber schmackhaft machen sich auf eine Bewerbung aus Übersee einzulassen. Nutzt den „Made in Germany“ Mythos. Sorgfalt, Genauigkeit und die Reife die diese Attribute ausdrücken sind in fast allen Branchen hochangesehene Qualitäten.
Prüft Rechtschreibung und Grammatik wenigstens maschinell; wie das geht ist im ersten Artikel der Reihe beschrieben. Nach Möglichkeit sollte ein Muttersprachler gegenlesen, denn das Anschreiben ist in eurem Fall auch ein kleiner Englischtest.
Irgendwo im Brief sollte das Verb „contribute“ d.h. ‚beitragen‘ vorkommen. Die Frage, die ihr im Anschreiben diskutiert ist wie ihr zum Erfolg der Firma beitragen wollt und weniger was die Firma für euch tun kann. In diesem Sinn verzichtet nach Möglichkeit auf das Wort „I“ am Anfang eines Satzes oder gar eines Absatzes, weil es zu ichbezogen wirkt. Zwei Sätze hintereinander mit „I“ anzufangen ist völlig tabu.
Wenn möglich schreibt eine echte Person an und nicht ein Abstraktum wie „Dear Sir/Madam„. Wenn ihr eine bestimmte Person namentlich anschreibt, dann endet der Brief übrigens mit einem „Yours sincerely„, andernfalls „Yours faithfully„.
Im einführenden Satz des Briefs ist es üblich zu sagen was der unmittelbare Anlass des Schreibens ist, z.B „I am writing in response to your recent advertisment for the position of XYZ in the New Zealand Herald of 01 March 2016.“ oder „This letter is in support of my application for the position of XYZ advertised on your corporate website.“ Der Abschluss ist etwas rituell-formal und geht immer in etwa wie „If you have any further queries regarding my personal or professional background, please do not hesitate to contact me. Thank you for considering my application.“
Was ihr vermeiden solltet
Abgegriffene Formulierungen wie „I am a creative and motivated person with superb team skills …“ besser weglassen. Man liest sie zu häufig und macht sich durch Wiederkäuen langweilig.
Gehaltsvorstellungen werden, wenn alles gut läuft, am Ende des Vorstellungsgespräch erörtert. Ins Anschreiben gehören sie nicht.
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Fortsetzung zur hohen Kunst des Bewerbungsgesprächs folgt.