FactSheet: Arche NZ2Go – Job Coaching für Neuseeland – Teil 3: Das Vorstellungsgespräch


So you have been invited …

Ein Bewerbungsgespräch sollte mehr sein als eine Art mündliche Prüfung bei der ihr Rede und Antwort zu stehen habt. In erster Linie bietet sich euch eine Chance neue Leute und eine interessante Firma kennenzulernen. Wie ticken die, was machen sie überhaupt, fühlt sich das Ganze gut an? Wenn es nicht gerade um eure unmittelbare materielle Existenz geht, betrachtet das Interview als ein gegenseitiges Kennenlernen, bei dem natürlich auch ihr die Gelegenheit habt den Arbeitgeber unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls abzulehnen.

Auch wenn das Gespräch letztlich nicht zur Einstellung führen sollte, lernt man durch Vorstellungsgespräche immer etwas dazu, über sich selbst und andere. Obwohl es Deutschen erfahungsgemäß schwer fällt, versucht also die Situation mit philosophischer Distanz zu erleben. Das reduziert den Stress und – wichtiger – passt besser in die blasierte Weltsicht vieler Kiwis in der man arbeitet um zu leben und nicht umgekehrt. Weltanschaulicher Gleichklang, „good vibes“, sind in einem Vorstellungsgespräch hilfreich und erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Vor dem Termin

Viele sind zu faul und bereuen es später sich im Vorfeld nicht mit der Firma auseinandergesetzt zu haben. Seid so gut und geht wenigstens auf die Webseite der Leute und klickt im Firmenprofil herum. Im Interview Wissen über die Firma demonstrieren zu können beeindruckt immer und ist eigentlich auch eine Sache von Höflichkeit und Anstand.

Wenn mit der Stellenanzeige „Duties“, „Job Profile“, „Competencies“ oder „Selection Criteria“ bereitgestellt wurden, also Informationen was ihr konkret im Job machen sollt und was sonst so erwartet wird, dann setzt Euch damit im Detail auseinander, auch wenn ihr die eine oder andere Qualifikation vielleicht noch nicht habt. Lest euch wenigstens rudimentäre Kenntnisse zu euren ‚Lücken‘ an und zeigt dem Arbeitgeber, dass ihr smart genug seid Schwächen zu übertünchen. Im Interview selbst könnt ihr natürlich ruhig zugeben nicht 100% der Kriterien zu erfüllen. Man will schließlich etwas lernen und hat das Selbstbewusstsein es auch zu schaffen. Ihr kommt ja aus dem Land, das es schafft, oder 🙂 ?

Vorinterview beim Headhunter

Falls die Bewerbungsformalitäten über einen der vielen „recruitment consultants“ laufen, werdet ihr normalerweise zu einem ersten Gespräch bei eben diesem eingeladen. Diese Leute haben oft kaum fachliche Ahnung, d.h. es geht darum sich zu beschnuppern und ein paar praktische Pflöcke in den Boden zu schlagen:

  • Wieviel verdient ihr im Moment und was ist eure Gehaltsvorstellung im neuen Job?
  • Hat der Job Extras zu bieten (Firmenwagen, private Krankenversicherung) bzw. würdet ihr das erwarten, z.B. weil ihr daran gewöhnt seid?
  • Wann könntet ihr anfangen, falls alles klappt?
  • Wie sieht es mit Visum und Arbeitserlaubnis aus?

Die meisten Headhunter lassen euch früher oder später auch einen Fragebogen ausfüllen bei dem es um Sachkompetenzen geht. Oft sind die nicht gut gemacht – ertragt es einfach.

Wie auch immer, über die Fragen zum möglichen Startdatum, Gehalt usw. solltet ihr euch spätestens bis zum Termin des Vorstellungsgesprächs im Klaren sein, denn sie werden zur Sprache kommen. Übrigens sogar dann, wenn es deutlich ist, dass es nichts wird – die meisten Arbeitgeber sagen euch nicht ins Gesicht, dass sie kein Angebot machen werden, sondern nutzen Standardfragen zu einem irgendwie noch versöhnlichen Abschluss des Gesprächs – ein Funken Hoffnung wird aufrecht erhalten, um die Stimmung nicht kippen zu lassen  👿

Was ziehe ich an?

Das kommt auf den Job an. Als Banker oder Jurist natürlich immer im Anzug mit Krawatte usw. Bei IT und anderen gehobenen technischen Positionen empfiehlt sich „smart casual“, also Hemd (im Sommer kurzärmlig) ohne Krawatte zusammen mit einer Stoffhose oder einer Designerjeans. Im Zweifelsfall aber besser overdressed als underdressed.

Die Kleidung hat perfekt sauber und gebügelt sein und euer Äußeres auch. Wenn ihr zum Schwitzen oder trockenen Mund neigt, dann behaltet das Jacket an und stellt sicher, dass euch ein Glas Wasser gereicht wird.

Wer euch im Vorstellungsgespräch erwartet

In der Privatwirtschaft wird euch oft nur eine Person gegenüber sitzen, der Chef oder ein Manager und die Sache ist meistens in 30 bis 60 Minuten erledigt.

Im öffentlichen Dienst sind es üblicherweise drei oder vier Gesprächspartner, darunter mindestens eine Frau, um Diskriminierungen vorzubeugen und eine ’neutrale‘ Person, die ein Protokoll schreibt, euch aber nichts frägt.

Wenn ihr 1:3 oder 1:4 spielt, dann vergesst nicht den Kopf ab und zu schweifen zu lassen, um auch den Beisitzern das Gefühl zu geben wahrgenommen zu werden. Meistens stellt nämlich einer (oder eine) in der Gruppe die meisten Fragen und man tendiert dazu sich nur auf diese Person zu konzentrieren – was bei den anderen nicht gut ankommt.

Achtet auf eure Körperhaltung. Eingefallene Schultern vermeiden und die Unterschenkel nicht anziehen. Eine Defensivhaltung deutet Nervosität an und die ist ansteckend d.h. schafft eine negative Grundatmosphäre.

Prinzipiell kann es auch sein, dass ihr durch eine ganze Reihe von Interviews gescheucht werdet, zum Beispiel, wenn ihr euch bei einer Unternehmensberatung bewirbt. So ein Aufwand ist aber die Ausnahme.

Was euch im Vorstellungsgespräch erwartet

Das Ganze geht – wie in Deutschland – meistens mit etwas Smalltalk los. Wie war der Verkehr, wollt ihr eine Tasse Kaffee usw. Dann geht man gemeinsam an irgendein stilles Örtchen, etwa einen Besprechungsraum und bekommt die Anfangsfrage gestellt, zum Beispiel, warum man sich überhaupt für den Job beworben hat, oder warum man denkt der richtige Kandidat für den Job zu sein.

Übrigens ist das Trendwort für „Job“ im Moment „Role“. Es schadet nicht sich dem Jargon anzuschließen, auch wenn es ein bischen übertrieben klingt.

Fragen, die man euch stellt

Careers NZ, hat eine nützliche Liste von häufig gestellten Fragen gesammelt. Ich übersetze und wiederhole sie bewusst nicht, weil ich meine, dass es besser ist, wenn ihr euch in der Originalsprache damit auseinandersetzt. Für euch beantworten kann ich sie natürlich auch nicht, aber die bei Careers NZ zusammengestellten Fragen hört man tatsächlich oft und es ist gut sich schon vorher eine Antwort überlegt zu haben.

Fragen, die ihr stellen könnt

Umgekehrt solltet ihr natürlich auch Fragen vorbereitet haben, wenn nötig auf einem Blatt Papier, das ihr ins Interview mitnehmt. Übrigens vergesst nicht eine Kopie von was auch immer ihr vorher eingeschickt hattet (Lebenslauf usw.) mitzubringen, ggf. mit Notizen, falls bei irgendetwas nachgefragt wird. Die Fragen an den Arbeitgeber sind bei Careers NZ meines Erachtens etwas zu trivial geraten. Ihr dürft gerne substantieller an den Fall herangehen, beispielsweise

  • Wie lange arbeiten Sie schon bei Firma XYZ und was macht dabei am meisten Freude?
  • Wie sehen Sie die Zukunft der Firma und Ihre eigene Zukunft in dieser Firma?
  • Was war das Projekt oder Produkt o.ä., das Ihnen während ihrer Anstellung bei dieser Firma bisher am meisten bedeutet hat?
  • Wo sehen Sie Probleme in Ihrem Team, Ihrer Abteilung oder der Firma insgesamt?

Unangenehme Themen

Ehrlich währt am längsten. Die meisten Leute haben ein Gespür für Flunkerei und werden euch sicher keinen Job anbieten, wenn sie meinen, dass sie an der Nase herumgeführt werden.

Das heißt, wenn ihr einen neuen Job sucht, zum Beispiel, weil es am früheren oder derzeitigen Arbeitsplatz Ärger gegeben hat, dann steht dazu. Vermeidet es kleinlich irgendwelche Anschuldigungen gegen eure früheren Kollegen oder Chefs zu erheben, das interessiert niemanden und wirft ein schlechtes Licht auf euch. Gebt euch souverän. Menschliche Inkompatibiltät, zum Beispiel, passiert einfach und niemand ist daran Schuld. Dauerhaft in einem schwierigen Umfeld zu arbeiten muss man deshalb trotzdem nicht.

Kritisch kann auch die Frage nach „referees“, also Gutachtern werden. In Neuseeland gibt es keine Arbeits- und Zwischenzeugnisse, sondern ihr werdet gebeten die Kontaktdaten von derzeitigen oder vormaligen Führungskräften anzugeben, die dann meistens einen Anruf erhalten. Die Referees müsst ihr selbstverständlich vorher fragen, ob sie als solche fungieren wollen – und das kann schwierig sein, wenn ihr noch einen Job habt und nicht wollt, dass der Arbeitgeber weiß, dass ihr euch nach einem neuen Arbeitsplatz umseht.

Wenn ihr euch von einem früheren Arbeitgeber im Schlechten getrennt habt, dann gebt denjenigen natürlich nicht als Referee an und erklärt auf Nachfrage, warum dem so ist. Ansonsten vermeidet das Thema einfach.

Ist mein Englisch gut genug?

Wenn ihr einen Muttersprachler oder jemanden mit außergewöhnlich guten Sprachkenntnissen kennt, dann macht ein Probeinterview mit dem- oder derjenigen. Als Übungsfragen nehmt die von Careers NZ. Wenn ihr niemanden habt, der euch unterstützen könnte, dann stellt euch einfach selbst die Fragen und beantwortet sie laut. Vokabular und Grammatik kann niemand verbessern, aber ihr übt den Sprachfluß und gewöhnt euch an die Situation.

Telefon – und Videointerviews?

Im Grunde gelten hier keine besonderen Regeln, außer, dass ihr sicher stellen müsst, dass ihr das Gespräch in einer ruhigen Umgebung abhalten könnt (obwohl ich selbst schon einmal in einer Telefonzelle im Souk von Jerusalem interviewed wurde   :mrgreen: ) und dass die Technik funktioniert. Letzteres am besten vorher testen.

Ungewöhnliche Formate

Assessment Centers gibt es leider auch in Neuseeland. Ich würde mich von Arbeitgebern, die sich auf so einen Nonsense einlassen nach Möglichkeit fernhalten. Wenn es trotzdem sein muss, dann könnt ihr mit schriftlichen und mündlichen Prüfungen, irgendwelchen Teamprojekten und dem Halten kurzer Vorträge rechnen.

Prüfungen, zum Beispiel einen Aufsatz zu schreiben oder eine ad hoc Präsentation zu geben, können auch im Vorspann zu einem Bewerbungsgespräch außerhalb eines Asessment Centers vorkommen, vor allem im öffentlichen Dienst.

In einigen Branchen stellt man euch keine oder kaum persönliche Fragen, sondern konfrontiert euch mit Fällen aus der Praxis, auf die Art „Was würden Sie in folgender Lage tun …“. Reine „case interviews“ sind aber selten.

Nach dem Interview

Meistens hat man ein Gefühl dafür, ob man einen guten oder weniger guten Eindruck hinterlassen hat und mit einem Angebot rechnen kann. Manche machen sich die Arbeit nach dem Interview per email oder Papierbrief für das Vorstellungsgepräch zu danken. Ich meine allerdings, dass man sich das heutzutage sparen kann. Seid beim Abscheid besonders höflich und freundlich und dankt den Leuten für ihre Zeit und die Gelegenheit sie kennenzulernen. Das sollte ausreichen.

Ihr bekommt ein Angebot

Oder vielleicht sogar mehrere. Dann gilt im allgemeinen: was sagt der Bauch dazu? Mit Leuten gut klar zu kommen ist meiner Meinung oft wichtiger als die Tätigkeit um die es geht, denn die kann sich rasch ändern und Versprechungen zu Karrierechancen usw. stellen sich oft genug als Schall und Rauch heraus. Aber das muss jeder selbst wissen, also ob Gehalt, „perks“ etc. wichtiger sind als zum Beispiel eine potentiell gute Arbeitsumgebung. Am besten ist natürlich wenn beides stimmt.

Wenn ihr euch nicht sicher seid, fragt von euch aus nach einem zweiten Gespräch, oder ob ein Besuch des Arbeitsplatzes möglich wäre, zum Beispiel um mit künftigen Kollegen zu sprechen und ein Gefühl dafür zu bekommen, ob man mit denen auskommt, oder ob sie halbwegs zufrieden mit ihren Jobs sind. Ich habe noch nie erlebt, dass ein vernünftiger Manager so etwas ablehnt.

Ihr bekommt eine Absage

Macht nichts, wie ich immer sage: die waren einfach nicht gut genug für euch!

Eine Absage kann viele Gründe haben. Vielleicht wurde das Budget für den Job kurzerhand gestrichen. Oder der Job war im Grunde schon vergeben, aber man musste formale Vorgaben beim Auswahlverfahren erfüllen und deshalb ein paar Kandidaten zum Interview einladen – um den Job dann der Person zu geben, die sowieso dafür vorgesehen war. Gemein, aber es passiert.

Wenn die Gesprächspartner einen guten Eindruck bei euch hintrerlassen haben, dann könnt ihr aber auch nachfragen, zum Beispiel per Telefon oder email, was den Ausschlag zu dieser Entscheidung gegeben hat. Die Information kann euch helfen eure Gesprächstechnik und Self-Marketing zu optimieren.

Ihr bekommt die Einladung zu einem weiteren Gespräch, werdet auf später vertröstet oder bekommt gar keine Antwort

Zwei  Gespräche sind heute nicht mehr ungewöhnlich. Zum Beispiel in der Konstellation eines ersten Gesprächs mit der technischen Abteilung und eines Folgegesprächs mit dem Management. Der Begriff „short-listed“ in diesem Zusammenhang bedeutet, dass man durch die erste Runde gekommen ist und nun auf einer kürzeren Liste von Kandidaten steht. Dann heißt es sich nochmals auf das Anschlußgespräch vorzubereiten, siehe oben.

Die Mitteilung, dass es mit der Stelle nicht klappen würde, aber es gut sein könne, dass sich in Zukunft etwas ergäbe, zusammen mit der Ankündigung die Bewerbung in den Unterlagen zu behalten und sich bei nächster Gelegenheit zu melden … sollte man in meiner Erfahrung nicht zu Ernst nehmen. Im allgemeinen hört man nie wieder von den Leuten.

Gar keine Antwort zu bekommen passiert immer öfter. Man wird meistens vorher gewarnt, dass es eine Rückmeldung nur bei einem positiven Ergebnis geben wird. Normalerweise meldet man sich aber recht schnell, wenn es etwas zu sagen gibt, d.h. nach ein paar Tagen, höchstens zwei Wochen, bekommt ihr die frohe Nachricht oder ihr könnt die Sache abschreiben.

Migranten Spezial

Es gibt zwei Dinge die bei euch als Einwanderern anders gehandhabt werden.

Da ist zum einen immer der Verdacht – oft aus bitterer Erfahrung – dass ihr nur ein bischen shoppen geht, euren Marktwert feststellen möchtet, und die Bewerbung gar nicht ernsthaft betreibt. Die HR Abteilung macht einen Vertrag, schickt ihn euch zu, ruft euch an und ihr überlegt und überlegt und unterschreibt dann doch nicht. Was für eine Verschwendung. Denn wer aus Merkelland, in dem bekanntlich Milch und Honig fließen, möchte schon am unterentwickelten Ende der Welt einen Job annehmen, für den er vielleicht auch noch überqualifiziert ist und unterbezahlt wäre?

Falls ihr das Gefühl bekommt, dass eure Gegenüber Zweifel an eurer Ernsthaftigkeit hegen, dann sagt etwas zu eurer Motivation auszuwandern, wo ihr im Auswanderungsprojekt steht, ob ihr das Land vielleicht schon von früheren Aufenthalten kennt und mit dem Leben in Neuseeland klar kommen würdet.

Zum zweiten pochen viele Arbeitgeber auf das mystische Biest „New Zealand experience“, also vorheriger Arbeitserfahrung in Neuseeland. Wenn ihr die habt, umso besser, wenn nicht legt euch ein paar Argumente zurecht wie flexibel ihr doch seid, dass das im nicht-neuseeländischen Ausland auch schon geklappt hätte usw. So ganz verstehe ich bis heute nicht, warum „New Zealand experience“ so wichtig sein soll, aber das Phänomen will einfach nicht verschwinden.

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Am Ende der Prozedur steht der Arbeitsvertrag. Was man vor der Unterschrift verhandeln und beachten sollte bespreche ich im nächsten Teil der Serie.

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2 Responses to FactSheet: Arche NZ2Go – Job Coaching für Neuseeland – Teil 3: Das Vorstellungsgespräch

  1. Markus sagt:

    Prima Artikel. Aber bis auf Feinheiten würde ich sagen in Deutschland ist es auch nicht viel anders. Oder?

    • Peter sagt:

      Gott sei dank nicht – bis auf die Feinheiten eben 🙂 … die man den Leuten anderswo gerne fuer viel Bares erklaert, uebrigens.

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