Gesundheitsvorsorge in Neuseeland
Es gibt in Neuseeland eine staatlich (aus Steuergeldern) getragene gesundheitliche Grundversorgung oft als NHI (National Health Insurance) bezeichnet – obwohl es diesen Term offiziell nicht (mehr) gibt, die einige Kernleistungen beinhaltet, zum Beispiel Notfall- und Spezialistenversorgung in Krankenhäusern, Betreuung chronisch Kranker durch einen Hausarzt, subventionierte Medikamente und subventionierte Hausarztbesuche (die vollständige Liste des Leistungsumfangs findet sich hier). NHI Leistungen werden von den District Health Boards verwaltet. Allerdings ist die Versorgung zum Teil nur theoretisch, weil hier, wie in Australien übrigens, das „waiting list“ Unwesen herrscht, d.h. auch absolut notwendige und dringliche Behandlungen und Eingriffe werden an die verfügbaren Ressourcen angepasst, und wenn das eine sechs- oder zwölfmonatige Wartezeit bedeutet, dann ist das eben so.
NHI Leistungen können nur bestimmte Personengruppen in Anspruch nehmen, z.B. neuseeländische Staatsbürger, Ausländer mit Daueraufenthaltsgenehmigung usw. www.moh.govt.nz/eligibility listet diejenigen, die NHI nutzen können. Touristen gehören nicht dazu.
Dagegen können alle sich legal in Neuseeland Aufhaltenden, auch Touristen, auf die Leistungen der ACC (Accident Compensation Corporation) zurückgreifen, falls sie bei einem Unfall (Definition von „Unfall“, siehe www.acc.co.nz) zu Schaden gekommen sind. Diese Leistungen sind relativ umfangreich, und beinhalten nicht nur die Kosten medizinischer Behandlung, sondern z.B. auch Ersatz für Verdienstausfall. Trotzdem wird es für Touristen im allgemeinen sinnvoll bleiben, vor Reisebeginn eine Reisekrankenversicherung in Deutschland abzuschließen, denn die ACC zahlt nicht für Krankheiten, die nicht durch Unfall bedingt sind, und die ACC hat einen Ruf dafür, Unfallhergänge in Zweifel zu ziehen und Zahlungen zu verweigern oder zu verschleppen.
Die Kosten vieler medizinischer Notwendigkeiten, etwa zahnärztlicher Behandlungen werden weder von NHI noch von ACC übernommen. Diese muss man privat schultern, oder private Zusatzversicherungen (www.inform.co.nz/health-insurance/ gibt einen Überblick über private Anbieter), abschließen. Ohne Schleichwerbung machen zu wollen, bietet zum Beispiel die größte neuseeländische Krankenversicherung Southern Cross ein „Dental Module“ an, allerdings scheint mir der Tarif kaum wert, Versicherung genannt zu werden, da die Auszahlungen im Versicherungsfall durch sehr niedrig gesetzte jährliche Limits begrenzt sind. Trotzdem rate ich allen, bei denen die Zähne Probleme machen, nach geeigneten Tarifen zu suchen (und mir gerne Bescheid zu geben). Private Krankenversicherungen schließt man in Neuseeland jedenfalls vor allem ab, um z.B. den Wartelisten im öffentlichen Gesundheitssystem zu entgehen, oder um Zugang zu Diagnostik oder Therapien zu bekommen, die der Staat als nicht unbedingt notwendig erachtet und deshalb gar nicht bezahlt, z.B. MRI. Dem Sicherheitsbedürfnis vieler Deutscher dürfte das neuseeländische Gesundheitssystem also nicht entgegenkommen. Wer sich Vollkasko versichern möchte, kann eventuell versuchen, in Deutschland eine Versicherung zu finden, die weltweit absichert. Ich bezweifle, dass es so etwas – trotz allem Globalisierungsgerede – gibt. Wer es trotzdem geschafft hat, möge sich bitte melden.
Meine Erfahrungen erster Hand mit öffentlichen Krankenhäusern in Neuseeland unterscheiden sich kaum vom deutschen Gegenstück. Papierkram, ewig warten, überarbeitete Ärzte, genervte Schwestern. An der Qualifikation des Personals, ob Schwestern, Pfleger oder Ärzte habe ich aber nichts auszusetzen, und der Ton ist auch höflicher als in Deutschland. Auffällig ist, dass die Ärzteschaft so etwas wie die Vereinten Nationen darstellt d.h. anscheinend viele Ärzte zugewandert sind, was nach meiner Erfahrung der Behandlungsqualität jedoch keinen Abbruch tut.
Alter
Die Bundesrepublik Deutschland unterhält mit Neuseeland (im Gegensatz zu Australien) kein Sozialversicherungsabkommen. Hört sich zuerst mal harmlos an, und führt uns nahtlos zum Thema Renten über. Denn die Abwesenheit eines Sozialversicherungsabkommens bedeutet, unter anderem, dass wenn man im Rentenalter sein Domizil in Neuseeland hat und dort seine hart erarbeitete deutsche Rente beziehen will, die deutschen Rentenversicherungsträger eventuell nur 70% der in Deutschland erworbenen Rentenansprüche auszahlen, nämlich wenn man keine deutsche Staatsangehörigkeit (mehr) hat. Außerdem gibt es aufgrund des fehlenden Abkommens keine gegenseitige Anerkennung von Beitragszeiten (wie etwa in Australien). Weitere Details sind in der nützlichen Broschüre ‚Arbeiten in Deutschland und im vertragslosen Ausland‘ der Deutschen Rentenversicherung zu finden. In der Broschüre wird auch angeboten bei Fragen zu diesem nicht ganz unkomplizierten Thema einen (gratis) Gesprächstermin mit dem jeweiligen Rentenversicherungsträger aus zu machen. Das kann ich jedem dem das Thema nicht völlig egal ist nur wärmstens empfehlen. Einen echten Grund für das Fehlen eines Sozialversicherungsabkommens zwischen Neuseeland und Deutschland gibt es nach Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom November 2011 nicht. Ich zitiere:
„Bei der Ermittlung des Interesses am Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens ist eine Gesamtbewertung des deutschen Interesses an einem Abschluss einschließlich der finanziellen Folgen für Deutschland vorzunehmen. Erweist sich beispielsweise, dass in einem bestimmten Land nur wenige deutsche Arbeitnehmer arbeiten, die aufgrund der durch ein Abkommen geschaffenen Möglichkeit der Zusammenrechnung von rentenrechtlichen Wartezeiten einen deutschen oder vertragsstaatlichen Rentenanspruch erwerben könnten, kann dies eher negativ in die Gesamtbewertung einfließen.“
und
„Zur Zeit ist die Aufnahme von Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Neuseeland und der Bundesrepublik Deutschland nicht geplant, zumal auch Neuseeland bisher kein Interesse an Verhandlungen bekundet hat.“
Auch wenn solche Verhandlungen heute aufgenommen würden, würden im Normalfall noch Jahre ins Land gehen bevor ein solches Abkommen ratifiziert würde. Nebenbei bemerkt, fordert der deutsche Staat auch sämtliche Förderung zurück, die beim Aufbau einer Riesterrente geflossen sind, falls die Riesterrente im nicht-EU Ausland, also auch Neuseeland, bezogen wird. Komisch, dass auch hier vom Geist der Globalisierung nichts zu spüren ist, sondern reinrassig provinzielles Denken herrscht.
Soweit, so mittelprächtig. Bleibt also noch die Hoffnung auf das neuseeländische Rentensystem, falls genügend Zeit ist, sich Ansprüche zu erwerben.
Da gibt es zunächst mal die sogenannte New Zealand Superannuation (verwirrenderweise funktioniert sie völlig anders als die Australian Superannuation), ein staatliches Rentensystem, das sich nicht aus Rentenbeiträgen, sondern aus Steuern speist (!). Zugang hat jeder, der über 65 ist, und „Permanent Resident“ oder Staatsangehöriger Neuseelands ist, und mindestens 10 Jahre in Neuseeland gewohnt hat seit er 20 ist, davon mindestens 5 Jahre seit Alter 50. Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach dem neuseeländischen Durchschnittsnettolohn und beträgt im Moment etwa 15.000 NZD pro Jahr (www.workandincome.govt.nz bzw. www.sorted.org.nz/home/sorted-sections/retirement). Das heißt, dass man auch als Migrant, der sich relativ spät im Leben in Neuseeland niederlässt, mit einer erklecklichen Subvention des neuseeländischen Staates rechnen kann. Hört sich großzügig an? Ist es auch, und das Konzept ist deswegen umstritten. Erstens wurde es erst vor kurzer Zeit eingeführt, es gibt also noch keinen Tradierungseffekt/Anspruchsdenken, und zweitens wird New Zealand Superannuation von der jüngeren Generation als unfair betrachtet, so melden es zumindest die Medien. Man hört deshalb Rufe danach New Zealand Superannuation wieder einzustampfen.
Das zweite Standbein des Rentensystems ist das sog. „KiwiSaver“ Programm (www.kiwisaver.govt.nz – entspricht vom Konzept her der Australian Superannuation, übrigens) das grob mit unserer Riesterrente vergleichbar ist. Man zahlt also bei einem anerkannten Anbieter (kann man z.B. bei www.sorted.org.nz recherchieren) Geld über die Jahre ein, das steuerlich subventioniert ist, und im allgemeinen im Alter von 65 zur Auszahlung kommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass KiwiSaver-Beiträge nicht wirklich steuerfrei sind, sondern, dass jedem Teilnehmer am KiwiSaver-Programm ein Steuerfreibetrag (von zur Zeit etwa 1000 NZD pro Jahr) zugesprochen wird, und dass jeder Kiwi der zum KiwiSaver wird, einmalig vom Staat 1000 NZD geschenkt bekommt. Ist der KiwiSaver in angestellter Beschäftigung, muss sein Arbeitgeber 2% des Gehalts in das KiwiSaver-Konto des Angestellten einzahlen. Der KiwiSaver-Angestellte selbst muss von seinem Gehalt auch einen Beitrag ins Konto zahlen, wahlweise 2%, 4% oder 8%. Allerdings kann man nach mindestens 12 Monate an Einzahlungen auch Beitragspausen einlegen (während derer der Arbeitgeber auch nichts abführen muss) die zwischen 3 Monaten und 5 Jahren lang sein können. Aus dem KiwiSaver-Konto abheben darf man, sobald das übliche Rentenalter von 65 Jahren erreicht ist, wenn man das erste Eigenheim kauft, oder ernsthaft erkrankt ist, bzw. völlig pleite, oder permanent aus Neuseeland wegzieht. Egal wieviel Geld man im KiwiSaver zurückgelegt hat, die Ansprüche aus der NZ Superannuation bleiben davon unberührt. Meines Wissens werden Auszahlungen aus dem KiwiSaver-Konto nicht besteuert, denn es ist ja keine Bezahlung (wie man etwa die durch die Deutsche Rentenversicherung ausgezahlte Rente in Deutschland unverständlicherweise interpretiert) sondern ein Konto auf dem schon besteuertes Geld liegt. Außerdem kann man das Geld (spätestens wenn man 65 ist) abheben wie man will, und nicht in irgendwie vorgeschriebener monatlicher Stückelung (hier unterscheidet sich KiwiSaver von Australian Superannuation). Insgesamt finde ich, dass KiwiSaver ein flexibles, modernes Finanzinstrument ist, das der heutigen Zeit entspricht – im Gegensatz zu dem bürokratisierten wie obsoleten deutschen Rentensystem. Die deutsche Rente ist sicher, aber die Höhe der Rente ganz gewiss nicht. In Deutschland muss man etwa 10 Jahre lang den Durchschnittssatz in die Rentenversicherung einzahlen, um später gerade mal das Äquivalent des HartzIV-Satzes zu erhalten. Meiner Meinung nach eine beispiellose soziale Entartung. Der KiwiSaver mag den Stürmen der globalen Finanzwelt ausgesetzt sein, aber man bekommt einmal im Jahr seinen Kontoauszug und weiß, woran man ist. Auch KiwiSaver ist übrigens erst vor ein paar Jahren aufgelegt worden, und es wird sich erst in Zukunft zeigen wie wirkungsvoll dieses Instrument zur Alterssicherung letztlich ist (Update Mai 2011: die Regierung hat gerade angekündigt, dass die staatliche Subvention zu Kiwisaver gekürzt wird …). KiwiSaver ist freiwillig, und die Einzahlungsbeträge, um die es sich handelt, sind relativ klein, viel kleiner als die des australischen Pendants. Ob sich also dort genug Vermögen ansammelt, um im Alter über die Runden zu kommen, ist für den Durchschnittskiwi alles andere als sicher. Nichtsdestotrotz ist KiwiSaver beliebt und wird wohl langfristig bestehen bleiben.
Traditionell war die dritte (oder bis vor Kurzem im wesentlichen einzige – neben von Firmen gesponserten Betriebsrentenprogrammen) Säule der Altersvorsorge der Kiwis das Eigenheim gewesen. Man kaufte sich in jungen, finanziell produktiven Jahren ein Häuschen in einer der Metropolen, und ging davon aus, dass bis zur Pensionierung der Wert sichtbar oberhalb der Inflation gestiegen sei. Das Haus wurde dann verkauft und ein kleineres („Downsizing“), oder eines in einer weniger gesuchten Lage gekauft. Die Differenz blieb zur Altersfinanzierung übrig. Nach Lage der Dinge ist dieses Vorgehen ein Auslaufmodell (siehe Artikel über Häuser), da im Zuge der Hauspreisinflation der Jahre 2000 – 2007 die Kapitalgewinne über viele Jahre hinaus vorweggenommen worden sind.
Theoretisch gibt es natürlich noch die Möglichkeit der Altersabsicherung durch schlichtes Sparen, Investieren usw. Allerdings ist die Sparquote der Kiwis in der Realität negativ. Im Schnitt werden für jeden verdienten Dollar etwa 1,08 Dollar ausgegeben, und die Differenz auf Pump gedeckt. Die Quote ist als Folge der großen Krise der letzten Jahre auf etwa 1,03 zurückgefallen, aber das heißt, dass immer noch mehr Schulden (durch die privaten Haushalte) angehäuft werden. Damit schlagen die Kiwis sogar ihre Konsumvorbilder in den USA wo inzwischen – lange für unmöglich gehalten – tatsächlich gespart wird. Wie lange das, also die Kreditabhängigkeit der Kiwis, noch gut gehen kann, ist fraglich. Tony Alexander, Chefökonom bei der Bank of New Zealand hat in seinem wöchentlich (öffentlich zugänglichen, www.bnz.co.nz) Bulletin zu Protokoll gegeben, dass in seiner Sicht der Welt ein zukünftiger massiver Währungsverfall des Neuseelanddollars unumgänglich sei, und die Währung deshalb nicht zur Altersvorsorge tauge. Ob das so kommen wird, wissen natürlich weder er noch ich mit Sicherheit. Die allseits beliebten amerikanischen Ratingagenturen haben allerdings im Herbst 2010 der neuseeländischen Regierung geraten, die Sparquote zu erhöhen, um nicht Opfer einer möglichen zukünftigen Kreditklemme zu werden, und die Regierung unternimmt (zu meiner Überraschung) tatsächlich zaghafte Schritte hin zu nachhaltigerem Wirtschaften, etwa durch Beseitigung von Steueranreizen für Hauspreisspekulanten. Gegenläufig könnte sich auch das rasante Wirtschaftswachstum in Asien, insbesondere den Bevölkerungsgiganten China und Indien auswirken, für die Neuseeland einen Teil der Lebensmittel- und Rohstoffversorgung übernehmen könnte, was hiesige Exporte und damit die Handelsbilanz und Währung langfristig stützen könnte. All das ist allerdings eher Wahrsagerei als substantielle Extrapolation. Auch Deutschland ist durch den Euro mit Hochrisikoländern untrennbar verquickt, was potentiell deutsche Rentenersparnisse entwerten kann, und wahrscheinlich wird. Wenn mich jemand fragen würde, wo ich Geld, das ich übrig habe (hahaha) zur Altersvorsorge anlegen würde, dann wäre ich am ehesten geneigt eine Rentenversicherung abzuschließen, die auf einem Korb von verschiedenen Währungen aufbaut, und sich nicht auf Gedeih und Verderb an den Euro klammert.
Versicherungen
Zum Abschluss noch zum Thema „Versicherungen“ allgemein. Generell ist meine Erfahrung, dass wegen der extremen Konkurrenz Versicherungsprodukte wie Haftpflicht, Berufsunfähigkeit usw. in Deutschland besser und billiger angeboten werden als in Neuseeland oder auch Australien. Ich habe deshalb, z.B. eine global gültige Haftpflichtversicherung in Deutschland abgeschlossen, und nicht eine auf Deutschland beschränkte mit einer auf Neuseeland beschränkten komplementiert. Dasselbe gilt für den Berufsunfähigkeitsschutz. Leider sind global gültige Versicherungstarife noch immer eher die Ausnahme als die Regel, was ich als anachronistisch bis ärgerlich empfinde. Es gibt zwar hoffnungsvolle Anzeichen eines Umdenkens in der Versicherungsbranche, aber im Moment ist die Situation dem Weltbürgertum wenig angepasst. Hoffen wir, dass sich das bald ändern wird.
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How interesting this all is!!
After 11 years arbeit in Germany between 1976 and 1988,and contributions of approx. DM 50,000 to my German Sozial Versicherung, as a Rentner here at home in New Zealand,I find that the German Pension is deducted from my statutory
non-contributory New Zealand Superannuation.From similar practises, the New
Zealand Government earns tens of millions of Dollars each year!It is no wonder that they are not interested in a Social Agreement with Germany.
Mit freundlichen Gruessen,
Barry
Hi Barry
The NZ minister for pension matters has written us a long letter explaining their position and the German Embassy in Wellington is currently formulating a statement in response. I will publish the gist of those communications when they are in.
Keep watching this space …,
Peter
Hallo lieber Leser,
nach Überprüfung: der RSS Feed funktioniert einwandfrei.
Vielleicht versuchst Du einfach, ihn nochmal zu abonnieren.
🙂
VG
Sylvia