SideTrack: Terrorismus in Neuseeland


Ja, richtig gelesen. Wenn man in einem Blog schon das Tapu-Thema der Kriminalität in Neuseeland (außerordentlich viel gelesen, übrigens) hervorkramt, warum nicht noch einen draufsetzen? Los gehts …

Natürlich ist es immer eine Frage der Definition, wo gewöhnliche Kriminalität aufhört, und Terrorismus beginnt. Wiktionary meint:

… die Anwendung oder Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung beziehungsweise Erreichen politischer, militärischer oder krimineller Ziele, einer Schreckensherrschaft oder Gewaltherrschaft …

Hört sich plausibel an, obwohl ich denke, dass da noch ‚Ideologie‘ untermischt sein sollte.

Über die „Māori Wars“, heute „New Zealand Wars“ genannt, weiß ich zu wenig, um es zu wagen den Zusammenhang zu möglichem neuseeländischem Proto-Terrorismus herzustellen. Die Vorfälle zwischen 1845 und 1872 hatten mehr mit „„-Kriegsführung zu tun, also dem Bau und der Nutzung von Erd- und Palisaden-Forts durch Maori und weniger mit der klassischen Guerilla-Taktik, die gemeinhin mit Terrorismus verbunden wird … mit Ausnahme des letzten von Māori-Krieger Te Kooti angeführten Kleinkriegs, der auf „Hit-and-Run“ setzte. Te Kooti & Truppen zogen sich nach Gefechten immer wieder in ihre Basis in den Wäldern der Urewera zurück. Warum ich das so interessant finde? Wegen des Widerhalls in modernen Zeiten, in Form der „Urewera 4“, siehe unten.

Nach einem Gefecht mit Te Kooti

Nach einem Gefecht mit Te Kooti

Rainbow Warrior

Auch wenn die Geschichte inzwischen angestaubt ist, bleibt die Versenkung der Rainbow Warrior, eines von der (privatwirtschaftlichen) Umweltlobbyorganisation Greenpeace betriebenen Schiffs, das u.a. versuchte französische Atombombenversuche um Mururoa und Fangataufa (unweit Tahiti) zu stören, zumindest im Gedächtnis meiner Generation haften. Die französische Regierung unter einem gewissen Laurent Fabius musste später zugeben, dass französische Agenten das Attentat begangen hatten, bei dem auch ein Mensch gestorben war. Der selbe Fabius, übrigens, der heute, fast dreißig Jahre später, französischer Außenminister ist, und den Euro rettet. Mit den Politikern ist es in Frankreich anscheinend wie mit den Schauspielern: immer die selben paar Darsteller. Nicht unter zu kriegen sind sie, diese ENS/ENA Elitegewächse, das muss man ihnen lassen. Jedenfalls, voilà, der erste offiziell beglaubigte Akt von externem Terrorismus auf neuseeländischem Boden. Allerdings auch einer der wegen seiner stümpferhaften Durchführung und idiotischen Motivation wohl nicht wiederholt werden wird.

Maori  Terrorismus — ???

Die Fragezeichen gehören da hin. Zwar terrorisieren Maori-Gangs ganze Landstriche, aber es ist eher ein lokales Phänomen, nicht eines das auf Gegenstücke zur kommunistischen oder islamischen Weltrevolution hinwirkt. Der ideologische Aspekt, der oft Hand in Hand mit Terrorismus geht, fehlt weitgehend, auch wenn einige Vertreter der entsprechenden Organisationen sich gerne als moderne Robin Hoods darstellen, die historisches mit aktuellem Unrecht ausgleichen möchten.

Die „Urewera 4“ waren da schon dubioser. Vier Angehörige der Tuhoe, also des einstmals mit Te Kooti (siehe oben) verbündeten Stammes, dessen traditioneller Siedlungskern in der Urewera liegt, trafen sich laut Anklage, um – äh – Guerillatechniken zu üben. Wirrköpfe, die die Parolen der „Maori grievance industry“ ein wenig zu wörtlich genommen hatten? Jedenfalls nahmen die Behörden die Angelegenheit mächtig ernst, und verurteilten die Vier in einem Prozess, der in Neuseeland viel Schlagzeilen machte. So ganz habe ich das nie verstanden. War gerade saure Gurkenzeit und man brauchte eine Story? Die Strafen waren letztlich trivial, die Vergehen eigentlich auch. Trotzdem verbreitete die Geschichte ein Schaudern, denn irgendwo schlummert da wohl Haß und Gewaltbereitschaft, die man in einer modernen Spaßgesellschaft ja gar nicht brauchen kann. Den Kern einer terroristischen Bewegung sehe ich hier trotzdem nicht. Ausgerechnet die Tuhoe haben dieser Tage einen Waitangi-Deal mit der neuseeländischen Regierung unterschrieben. 170 Mio NZ$ für vergangenes Unrecht. Das sollte erst mal für Frieden sorgen.

Die Kinder Allahs

Neuseeländische „Digger“ kämpfen in Afghanistan. Muslime migrieren in nicht geringer Zahl, auch bzw. gerade aus Hotspots wie dem Irak, Afghanistan, Pakistan und Somalia nach Neuseeland, siehe Immigration New Zealand.

Die muslimische Gemeinschaft Neuseelands ist zwar jung, aber fest etabliert, und tendenziell wird sie mit Sicherheit größer werden und an Einfluss gewinnen. Die Zahlen von Statistics New Zealand für die Volkszählung 2011 sind noch nicht verfügbar, aber in den Census-Jahren 2001 und 2006 wurden 24.000 bzw. 36.000 gezählt. Einschließlich Geburten, weiterer Zuwanderung usw. dürften es im Moment gut über 50.000 Individuen sein, oder etwas über 1% der Bevölkerung, was im Vergleich zu den meisten europäischen Staaten gering ist. Im Bruderland Australien ist die Entwicklung schon weiter fortgeschritten. Dort leben knapp 500.000 Muslime, die über 2,2% der Bevölkerung ausmachen. Ganz aktuell haben australische Muslime lauthals gegen diesen berühmten Islam-Schmähfilm („Innocence of Muslims“) öffentlich protestiert, im meines Wissens bisher einzigen ‚westlichen‘ Land, und es gab neulich eine Razzia gegen muslimische Terrorverdächtige. Das Phänomen ist an sich nichts Neues. Schon 2003 wurde ein Terrorkomplott um einen Herrn Faheem Khalid Lodhi spektakulär verhindert, folgende Wikiseite gibt Details. 2005 entzündeten sich ethnisch-religiöse Spannungen in offenen Ausschreitungen zwischen Mitbürgern libanesischer Abstammung und – darf man so sagen? – der einheimischen Bevölkerung in Sydney, die als „Cronulla Riots“ berüchtigt wurden. In Deutschland wurden die Vorfälle in den Medien kaum thematisiert, übrigens. Australien gilt in Deutschland als Musterland geglückten multikulturellen Miteinanders, und da stört die Realität nur.

Obwohl in Neuseeland Muslime gerade einmal 1% der Bevölkerung bilden, sind sie lokal so stark konzentriert, dass man ihre Präsenz stellenweise im Alltagsleben spürt. In Australien ist der Bevölkerungsanteil der Muslime bereits gut doppelt so hoch und hat offenbar die ‚kritische Masse‘ überschritten, die zu Dauerterrorproblemen führt. Ich denke nicht, dass man ein Prophet oder Übelwünscher sein muss, um vorherzusehen, dass sich mit steigendem Anteil und Zahl der Muslime in Neuseeland die Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen erhöhen wird, denn das Laissez-faire Australiens bei der Einwanderungspolitik wird auch in Neuseeland praktiziert, und bei der Bildung ghetto-ähnlicher Subkulturen wird auch in Neuseeland angestrengt weggeschaut, denn der ‚Krebs des kulturellen Relativismus‚ hat Neuseeland längst angefressen. Zwar ist die neuseeländische Armee ein viel weniger gewichtiger internationaler Politikfaktor als die australische, aber sofern sich Neuseeland nicht völlig aus den Konflikten auf dem Boden islam-dominierter Länder zurück zieht, wird daraus keine dauerhafte ‚Schutzwirkung‘ erwachsen. Und selbst falls dem so wäre, würden sich andere Gründe für Haß und Gewalt finden, fürchte ich, und wenn es nur die allgemeine Verderbtheit ‚westlichen‘ Lebensstils ist, gegen die Position bezogen werden soll. Hoffen wir, dass ich Unrecht behalte.

Muslimische Ressourcen in Neuseeland gibt es viele, ich finde die Webseite von Iman gibt einen guten Einblick in die Gedankenwelt des muslimischen „Mainstream“ Neuseelands, der sich stark auf Praktisches (wo gibt es halal Fleisch?) und Rituelles (Gebetszeiten?) konzentriert. Mal neben dem Thema: ich würde mir wünschen die deutsche Community in Neuseeland würde eine Webseite betreiben, die auch nur ein Quentchen so interessant ist wie Iman. Aber das ist ein Kapitel für sich, die Deutschen und ihr Identitätsvakuum.

Von muslimischen Hasspredigern in Neuseeland habe ich ab und zu gehört, aber ich kann keine harte Information bzw. Belege dazu finden. In Australien ist dieses Problem schon längst außer Kontrolle geraten, spätestens seit der extrem unrühmlichen Affäre Anfang der 90er Jahre um den selbst-proklamierten ‚Groß-Mufti von Australien und Neuseeland‘ und vormaligen Prediger in der Lakemba Moschee, al-Hilaly, der trotz Unregelmäßigkeiten bei Einwanderungsformalitäten vom damaligen australischen Premier Keating eine Aufenthaltserlaubnis erteilt bekam. Schlimme Menschen meinen, dass sich Keating damit die Stimmen der australischen Muslime kaufen wollte.

Maori Muslims?

Doch gibt es. Eine Maori-Ausprägung des Islam, bei der Jihad und generelle Maori Kriegerkultur in Symbiose gehen, soll existeren, aber viel mehr habe ich dazu nicht gefunden.  Ganz allgemein scheinen Maori die Religionen, die sie annehmen, so gründlich zu absorbieren, dass es zu einer Vemischung der Religion mit Elementen von Maori-Spiritualität kommt. Die Kirche von Rātana ist ein christliches Beispiel.

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Fazit: Grund zur Beunruhigung existiert nicht. „Terrorismus in Neuseeland“ bleibt im wesentlichen ein Oxymoron. Allerdings ist klar, dass Neuseeland als Teil einer globalisierten Welt nicht ewig die Insel der von Terrorismus Verschonten bleiben wird. Bis es soweit ist, leben wir aber glücklich weiter …

Nachtrag vom 19.11.2015: Auch in Neuseeland erfreut sich der Islamische Staat nach dem Massaker von Paris steigender Beliebtheit bei neuseeländischen Muslimen. Aber Premierminister John Key und seine Sicherheitsorgane haben das natürlich genauso im Griff wie die hervorragenden Staatsführer Europas. Wir werden es dem IS schon zeigen, mit bunt angestrahlten Gebäuden und demonstrativem Champagnertrinken!

Nachtrag vom 15.o3.2019: Die Realität ist angekommen … liest dazu meinen Kommentar zur verlorenen Unschuld Neuseelands.

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8 Responses to SideTrack: Terrorismus in Neuseeland

  1. Stefan sagt:

    Hallo Jenny,

    Hartz 4 Empfänger sind keine Terroristen und ich wollte und will sie auch niemals mit solchen gleich setzen! Was die Maori Gangs angeht, gerade bei dem Mongrel Mob oder der Black Power oder wie die heissen gibt es starke rassistische Strömungen die sich gegen Weiße und Asiaten richten! Diese Gangs rekrutieren sich aus Maori und Pacific Islanders und ich habe selber mal in Neuseeland Maori getroffen die der Meinung waren, eigentlich sollten die Weißen und Einwanderer aus Asien hier im Land nichts zu sagen haben, weil die Maori als erstes das Land besiedelten! Es gibt Gangs die auf diese Ideologie aufbauen und wenn die sich fanatisieren und Waffen haben sie ja auch, dann kann da durchaus echter “ Terrorismus“ draus entstehen!

    • Peter sagt:

      @Stefan: Interessanter Beitrag, danke! Ich habe das Problem bisher selbst nur am Rande mitbekommen. Eher lästig als gefährlich. Maori Großfamilie, die an den Strand gepoltert kommt, Bier in der Rechten, Zigarette in der Linken, angeln wo Leute schwimmen, die Kippen und Flaschen einfach fallen lassen wo sie stehen usw. Und am nächsten Abend in der Flimmerkiste wieder die alte Geschichte von den naturverbundenen Maori, die alle arme Häschen sind, unsere Sympathie, und vor allem unser Geld verdienen. Dass es eine gediegene rassistische Agenda bei den Gangs gibt, zumindest teilweise, wusste ich nicht, obwohl es mich auch nicht überrascht. Ob es dazu wohl akademische Studien gibt? 🙂 …

  2. gasmann sagt:

    Hier gibt sich jemand grosse Muehe. Sehr lobenswert.

    Meiner Ansicht nach gibt es zwei Seiten von Neuseeland. Das eine das Neuseeland der Reisefuehrer, weisse Straende in Northland und Coromandel, Edelweiss und Gletscherromantik auf der Suedinsel.

    Aber es gibt auch das Andere, das Dunkle: Alkoholismus und Drogen, Gewalt gegen Frauen und Kinder und eine seit Jahren konstant hohe Zahl an Selbstmorden von Jugendlichen und Erwachsenen.

    Ich empfehle (oder auch nicht) einen Abstecher von Rotorua nach Murupara. Das Staedtchen wird von den gangs beherrscht. Anst und Verzweiflung liegen wie ein schlechter Geruch in der Luft.

    Ich wohne in Mount Manganui mit dem Blick auf weissen Sand. In Murupara (etwa 90 Minuten) von hier ist dagegen alles schwarz. Neuseeland ist ein Land der Gegensaetze. Die zivile Decke ist oft duenn. Darunter ist es roh, siehe Rugby, der Nationalsport.

    Ihr Gasmann

    • Peter sagt:

      @Gasmann: Dem habe ich nicht viel hinzufügen … im Grunde beschäftigt sich diese ganze Webseite damit ein wenig Balance in das oft sehr unrealistische deutsche Neuseelandbild zu bringen. Auch um Enttäuschungen entgegenzuwirken. Es gibt kaum etwas Traurigeres als mit ihrem Schicksal hadernde Auswanderer … Was macht man eigentlich in Mount Maunganui? Nach Gas bohren? Oder irgendwas mit dem Transportgeschäft in Tauranga? Curiosity killed the cat.

  3. Jenny sagt:

    Die Definition für „Terrorismus“ lautet aber schon ein wenig anders, Stefan… Lohnt sich, da ein wenig genauer zu recherchieren, bevor man Maori-Gangs mit Terroristen und Hartz-IV-Empfängern (denn die tun auch nichts, was irgendwie „nützlich“ wäre…) in einen Topf wirft 😉

    Von der australischen Einwanderungsdebatte bekommen wir in den deutschen Medien irgendwie so gar nichts mit – was schade ist, denn ein Vergleich mit unserer eigenen bzw. der europäischen wäre durchaus interessant… Könntest du mal deinen kritischen Blick darauf werfen, Peter?

  4. Stefan sagt:

    Interessanter Beitrag! Allerdings finde ich nicht, dass Australien und Neuseeland es Einwanderern zu leicht machen, in diese Länder zu gelangen!
    Die Maori Gangs kann man übrigens durchaus als Terroristen bezeichnen! Ausser dealen und stehlen und sonstiges machen die ja nix was für den Staat oder die Allgemeinheit nützlich ist!

  5. Jenny sagt:

    Clever, Peter – zwei ausgesucht beliebte Suchbegriffe in einer Headline. Das dürfte ähnlich viele Leser bekommen wie dein zeitlos interessanter Sex-Artikel 😉
    Anyway: Wieder was gelernt über NZ. Danke!

    • Peter sagt:

      @Jen: Ach, das hatte ich doch im Artikel über Kriminalität schon angedeutet, dass das mit dem „Terrorismus“ auch noch kommen würde. Sex sells, stimmt, aber Terror, Mord, Totschlag und Vergewaltigung? Not too sure about that … nichtsdestotrotz, wird der Artikel zur Kriminalität sehr oft gelesen, der zum Terrorismus schon weniger. Ich denke „die Leute“, vor allem prospektive Auswanderer wollen das halt wissen. Ist ja auch vernünftig …

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